Baden-Baden (dpa/lk) – Die Erfolge von Tokio prägen die Wahl der „Sportler des Jahres“, der Fußball spielt im EM-Jahr keine Rolle. Die Sieger kommen aus der Leichtathletik, dem Radsport und vom Tennis. Leichtathletin Malaika Mihambo freut sich auf ruhige Weihnachten, Alexander Zverev hat auch an den Feiertagen insbesondere Tennis im Kopf. Für ihre Olympiasiege wurden die beiden im Kurhaus in Baden-Baden als „Sportler des Jahres“ gekürt – ebenso wie die Bahnrad-Frauen.
Mit einem Kuss von seiner Freundin Sophia Thomalla genoss Tennis-Olympiasieger Alexander Zverev die Wahl zum „Sportler des Jahres“. Der 24-Jährige wurde am Sonntagabend als erster Herrentennisprofi seit 30 Jahren geehrt, Weitspringerin und Seriengewinnerin Malaika Mihambo und die Weltrekordlerinnen des Bahnrad-Vierers sind ebenfalls „Sportler des Jahres“ 2021. Die Preisträger – allesamt Olympiasieger der Sommerspiele in Tokio – erhielten die Auszeichnungen bei der 75. Gala im Kurhaus von Baden-Baden. Die Sportler veredelten damit ihre glänzenden Erfolge.
Zverev hatte sich in Japan zum ersten deutschen Olympiasieger im Herren-Einzel gekrönt und insbesondere im Halbfinale mit seinem Erfolg über den serbischen Tennis-Ausnahmekönner Novak Djokovic beeindruckt. Zudem räumte der 24-Jährige den Titel beim Saisonfinale der besten Tennisprofis des Jahres und insgesamt sechs Turniersiege ab – so viele wie keiner seiner Konkurrenten in diesem Jahr. Bei der Online-Abstimmung von 980 Sportjournalistinnen und Sportjournalisten setzte sich die Nummer drei der Welt (1.739 Punkte) deutlich vor Schwimmer Florian Wellbrock (1.198) durch, dem Olympiasieger über zehn Kilometer im Freiwasser und Tokio-Bronzegewinner über 1.500 Meter Freistil im Becken. Den dritten Platz belegte Skisprung-Weltmeister Karl Geiger (729).
Seit 1991 war bei den Herren kein Tennisprofi mehr „Sportler des Jahres“ geworden, seit Wimbledonsieger Michael Stich seinen damaligen Tennis-Rivalen Boris Becker ablöste und eine Reihe von Ehrungen für Becker ein Ende nahmen. Bei den Damen steht die dreimalige Grand-Slam-Siegerin Angelique Kerber 2016 und 2018 in der jüngeren Historie der Siegerliste. Den ersten Grand-Slam-Titel hat sich Zverev für das neue Jahr zum Ziel gesetzt. Bei der Sportler-Gala trat er nun die Nachfolge von Eishockey-Nationalstürmer Leon Draisaitl an.
Für Mihambo ist es die dritte Auszeichnung in Serie. Eine solche Erfolgsserie bei der Wahl zur „Sportlerin des Jahres“ schaffte zuletzt Tennisikone Steffi Graf, die in den 1980ern viermal nacheinander die Ehrung erhielt. Mihambo hatte in Tokio mit ihrem Sieben-Meter-Sprung im letzten Versuch die Führung übernommen, musste aber noch die Sprünge ihrer stärksten Konkurrentinnen abwarten. Deutlicher als Zverev distanzierte die 27-Jährige von der LG Kurpfalz (1.845 Punkte) ihre Verfolgerinnen. Aline Rotter-Focken, die in ihrem letzten Kampf erste deutsche Olympiasiegerin im Frauen-Ringen wurde, wurde Zweite (942). Kanu-Goldgewinnerin Ricarda Funk kam auf Platz drei (686).
Die Bahnrad-Frauen dominierten in diesem Jahr ihre Disziplin und treten als Mannschaft des Jahres die Nachfolge des FC Bayern München an. Lisa Brennauer, Franziska Brauße, Lisa Klein und Mieke Kröger hatten in Tokio eine schier unglaubliche Weltrekord-Show mit drei Bestmarken in drei Rennen abgeliefert und waren zu Gold in der Mannschaftsverfolgung gerauscht. Anschließend holte das Team noch EM- und WM-Gold und machte das Titel-Triple perfekt. In der Abstimmung landeten die Bahnrad-Frauen (1.434 Punkte) klar vor der Dressur-Equipe (875) und den Tischtennis-Männern (719). Die Fußball-Nationalmannschaft spielte nach dem Achtelfinal-Aus bei der Europameisterschaft keine Rolle bei der Wahl.
Für Zverev war es ein besonderer Moment, als sein Bruder Mischa die Laudatio hielt und von der Kindheit erzählte. Mit Videokassetten des Vaters hätten sie im Flur früher ein Netz aufgebaut und im Garten so lange weitergespielt, bis es dunkel wurde und die Mutter zum Essen rief, verriet Mischa Zverev. Zunächst hatte der 34-Jährige gerührt kurz innehalten müssen: „Du hast es gesagt: Ich bin ein emotionales Weichei“, meinte er. Weitere Laudatios hielten die querschnittsgelähmte Bahnrad-Olympiasiegerin Kristina Vogel und Schwimm-Paralympicssiegerin Elena Semechin, die gegen einen Gehirntumor kämpft.
Zverev mag es überhaupt nicht, zu verlieren – selbst nicht beim „Mensch ärgere dich nicht“. Auch daran wurde bei der Auszeichnung erinnert. Er bekam deswegen eine besondere Variante des Spiels als Überraschung, in der seine Rivalen Novak Djokovic, Rafael Nadal und Roger Federer ein Rolle spielen. „Das wird leider wahrscheinlich nicht lange heil bleiben“, meinte Zverev schmunzelnd, ehe er erfuhr, dass Spielregeln so verändert wurden, dass er immer gewinnen müsse. Weitsprung-Olympiasiegerin Malaika Mihambo, die zum dritten Mal in Serie als „Sportlerin des Jahres“ ausgezeichnet wurde, bekam eine Ukulele überreicht. Eine Kostprobe ihres Könnens wollte die Leichtathletin „lieber nicht“ geben.
Im letzten Jahr war der Saal im Kurhaus von Baden-Baden so gut wie leer gewesen, dieses Mal kamen rund 250 Gäste und damit rund ein Drittel der gewohnten Besucherzahl. Die Tische hatten einen größeren Abstand als normal, alle mussten geimpft oder genesen und zusätzlich getestet sein. Tischtennis-Spieler Timo Boll konnte aufgrund seiner Corona-Quarantäne nicht kommen und wurde von Zuhause zugeschaltet.
Weitsprung-Olympiasiegerin Mihambo freut sich jetzt auf ruhige Weihnachtstage. „Für mich war es auch ein sehr hartes, sehr anstrengendes Jahr. Von daher bin ich froh, dass ich das Jahr jetzt mit der Familie ausklingen lassen kann“, sagte sie. Doch längst nicht alle Sportstars können die Feiertage genießen. „Ich trainiere – acht Stunden. Ich fliege am 26. Dezember nach Australien, das ist leider im Sportlerleben die Realität“, kündigte Zverev an. Für ihn beginnt Mitte Januar schon der erste sportliche Höhepunkt der neuen Tennis-Saison: die Australian Open.