Region (lea/pm) – Die aktuelle amtliche Pflegestatistik des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg belegt, was Pflegekräfte schon lange anprangern: Die Situation wird immer dramatischer. Angesichts der wachsenden Zahl an Pflegebedürftigen gibt es viel zu wenig Beschäftigte im Pflegebereich. Um diesem Negativtrend entgegenzuwirken, werden seit Dezember Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser bei ihrer Suche nach Fachkräften im Ausland vom Land Baden-Württemberg unterstützt. Auch eine Karlsruher Krankenschwester kämpft auf ihre eigene Art gegen den Fachkräftemangel in ihrer Branche. Agnes Obert möchte andere ermutigen, auch in die Pflege zu gehen.
Seit mehr als drei Jahrzehnten ist Agnes Obert fester Bestandteil des Städtischen Klinikums. „Ich gehöre quasi schon zum Inventar hier“, erklärt sie schmunzelnd. Die Krankenschwester liebt ihren Beruf, der für sie eine Berufung ist. Dass die Arbeit als Pflegekraft Spaß macht, möchte Obert nach außen tragen. Auf ihre eigene Art kämpft sie gegen den Fachkräftemangel in ihrer Branche. „Ich möchte andere ermutigen, auch in die Pflege zu gehen“, erklärt sie. Ihren Beruf zeichne sich durch viel Abwechslung aus: „Jeder Tag ist anders. Ich habe viel Kontakt mit anderen Berufsgruppen, mit denen ich mich absprechen muss“, schwärmt Obert.
Verändern müsse sich aber trotzdem etwas. Denn dass es an allen Ecken und Enden an Personal mangelt, erlebt die Krankenschwester am eigenen Leib. Eine Pflegekraft habe derzeit viel zu viele Patienten, um die sie sich kümmern müsse. „Deswegen muss sich die Pflege wieder aufs Pflegen konzentrieren“, fordert Obert. In den meisten anderen europäischen Ländern kümmern sich bereits Pflegehilfskräfte um Arbeiten wie die Essensausgabe und das Waschen der Patienten. Ein solches Konzept würde auch in Deutschland die Pflegekräfte entlasten.
Agnes Obert steht stellvertretend für die immer lauter werdenden Stimmen der Pflegekräfte, die auf ihre prekäre Lage aufmerksam machen. Denn es gibt immer mehr Pflegebedürftige, die versorgt werden müssen. In Baden-Württemberg galten im Dezember 2021 540.401 Menschen als pflegebedürftig. Das seien rund 15 Prozent mehr Pflegebedürftige als noch im Jahr 2019, erklärt das Statistische Landesamt Baden-Württemberg im Fazit seiner amtlichen Pflegestatistik, die alle zwei Jahre bundesweit durchgeführt wird.
Weiter betont das Statistische Landesamt im Hinblick auf neueste Zahlen, das Pflegerisiko steige mit zunehmendem Alter deutlich an. Während die Altersgruppe der unter 65- jährigen ein Pflegerisiko von 1,3 Prozent aufweist, belief sich das Risiko, Pflege in Anspruch nehmen zu müssen, bei Personen ab 90 Jahren auf 74,4 Prozent. Mehr als die Hälfte aller Pflegebedürftigen in Baden-Württemberg sei 80 Jahre oder älter.
Auf der anderen Seite nimmt die Zahl der ambulanten Pflegedienste nur wenig zu. Gleiches gilt für die dort und in anderen Pflegeeinrichtungen beschäftigten Personen: Vorletztes Jahr gab es 2,3 Prozent mehr Pflegebeschäftigte als im Jahr 2019. Zudem arbeitet nur ein Viertel der Pflegekräfte in Vollzeit. „Die weit überwiegende Mehrheit war in Teilzeit oder geringfügig beschäftigt“, so das Statistische Landesamt.
Die alarmierende Kluft zwischen Pflegebedürftigen und -kräften drängt die Politik zum Handeln. „In allen Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser fehlen Pflegekräfte. Wir helfen bei der Suche“, so Baden-Württembergs Sozial- und Gesundheitsminister Manne Lucha. Um Pflegekräfte aus dem Ausland zu gewinnen, starten die Bundesagentur für Arbeit und das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration daher ihr Kooperationsprojekt zur Sprachförderung im Ausland. Baden-Württembergische Arbeitgeber im Gesundheitswesen können sich ab sofort melden, wenn sie Pflegekräfte suchen und Fachkräfte aus dem Ausland beschäftigen möchten.
Aufgerufen zur Teilnahme sind alle Einrichtungen der Pflege und des Gesundheitswesens in Baden-Württemberg. Das Land übernimmt die Kosten des Spracherwerbs im Ausland bis zu 3.000 Euro pro Pflegefachkraft, wenn diese sich am Programm „Triple Win“ der Bundesagentur für Arbeit beteiligen.