Karlsruhe (dpa/ms) – Besser duschen als baden, klar. Aber was bringt es, das Handykabel aus der Steckdose zu ziehen? Die Stadtwerke Karlsruhe machen Schüler zu Energiebotschaftern. Informativ und spielerisch.
Bei der Frage zum Standby-Betrieb zückt Marie den Taschenrechner. Rund vier Milliarden Euro jährlich an Stromkosten verursacht bundesweit der Standby-Betrieb von Elektro-Geräten. Die Info gibt das blaue Kärtchen. Doch wie viel spart man ein, wenn man den Stecker zieht? Die Rechnung ist dann doch etwas komplizierter. Am Ende machen es die vier Mädchen am Tisch wie die anderen: Sie schätzen. Die 15-Jährige zieht die Karte mit der Zahl «225 Euro pro Jahr». Der höchste Betrag wird schon hinkommen, vermuten die Mädchen.
Sie gehören zu einer Gruppe von 25 Schülerinnen und Schülern, die an diesem verregneten Morgen den einstigen Müll- und jetzigen Energieberg Karlsruhe erklommen haben. Das Energiesparspiel im Pavillon der Stadtwerke gleich neben dem gewaltigen Windrad ist Teil eines Projektes, das Schülerinnen und Schüler zu Energiebotschaftern machen möchte.
Es sind am Ende «nur» 140 Euro, die durch Steckerziehen eingespart werden, erfahren die 13- bis 15-Jährigen beim Energiesparspiel. Ist immer noch viel Geld. Überrascht sind sie vor allem, wie mit vielen kleinen Dingen Energie gespart werden kann. Das Handykabel ziehen bringt zwar nicht so viel wie gedacht. Dafür Duschen statt Baden und kurzes Stoßlüften statt gekipptem Fenster. «Am meisten erstaunt hat mich das mit den LED-Lampen», sagt ein Junge. Denn wer zehn 60-Watt-Lampen durch LED-Leuchten ersetzt, spart 200 Euro Strom.
Anhand von 16 Beispielen aus dem Alltag lernen die Schüler, welch große Wirkung schon kleine Dinge haben können. «Unser Ziel ist es, dass Kinder das Wissen als Energiebotschafter in Schulen und Familien weitertragen», sagt Susanne Dresen von den Stadtwerken, die die Schüler auf den Energieberg führt.
Das Projekt «Schüler auf den Energieberg» gibt es bereits seit 2010. Die Stadtwerke informieren so jährlich etwa 1200 Schüler und andere Interessierte über regenerative Energiegewinnung wie Biogas, Wind- und Solarenergie, Mobilität und Energiesparen. Wegen der Umrüstung auf eine größere Windkraftanlage und der Corona-Pandemie gab es Unterbrechungen. Aber mit den Energiesparnöten als Folge des Ukraine-Kriegs ist das Projekt aktueller denn je.
Nun werden die Exkursionen zur ehemaligen Mülldeponie auch im Rahmen des Energiepakts Karlsruhe angeboten, den die Stadtwerke mit der Stadt und weiteren Partnern ins Leben gerufen haben. Das Ziel: über
Energiethemen aufklären und zum sparsamen Umgang mit
den wertvollen Ressourcen anregen.
Marie und die anderen Schüler von 13 Schulen aus Heidelberg, Mannheim, Ludwigsburg, Karlsruhe und Umgebung sind da, weil sie bei der Umweltmentoren-Ausbildung des Landes mitmachen. «Als Botschafter für den Klimaschutz zeigen Umweltmentorinnen und Umweltmentoren ihren Mitschülerinnen und Mitschülern, wie sie in der Schule Energie sparen und nachhaltiger leben können», erläutert Jan Stosiek von der Jugendstiftung Baden-Württemberg. Pro Schuljahr werden bis zu 100 junge Menschen als Umweltmentoren ausgebildet.
Der Ausflug nach Karlsruhe zeigt besonders anschaulich, wie aus Müll Energie wird: 2,7 Millionen Kilowattstunden Strom jährlich wird allein durch das Deponiegas erzeugt, das aus dem Berg abgesaugt und ins nahe Blockheizkraftwerk der Verkehrsbetriebe weitergeleitet wird. Zusätzlich erzeugen zwei Windräder 5 Millionen Kilowattstunden und eine Photovoltaikanlage etwa 450 000 Kilowattstunden Strom – damit können mehr als 8000 Menschen mit Strom versorgt werden.
Die Schüler staunen. Über die Zahlen. Aber auch über das gewaltige Windrad auf der Spitze des mehr als 60 Meter hohen Berges, dessen Rotorblätter stoisch durch das Grau des Himmels wischen – und mit jeder Umdrehung Strom erzeugen.
Die 15-jährige Marie aus Ludwigsburg ist beeindruckt und findet es toll, das alles mal gesehen zu haben. Das geht der 13-jährigen Azra ebenso. Sie will auch deshalb Umweltmentorin werden, um ihren kleinen Brüdern erklären zu können, warum Energiesparen notwendig ist und wie das funktioniert. Das kann sie jetzt.