Ein Betroffener berichtet!

Wie ist das, süchtig nach Glücksspielen zu sein?

23. April 2024 , 04:00 Uhr

Region (dk) – Süchte sind Alltag in unserer Gesellschaft – Alkoholsucht, Magersucht und Bulimie – das kennt ihr sicherlich. Aber auch Glücksspielsucht ist eine weit verbreitete Krankheit. Durch den hohen Online-Konsum junger Menschen wird das Thema auch wieder aktueller. Wir durften mit einem Betroffenen sprechen, der vor 30 Jahren – also lange vor Smartphones und dem heutigen Internetkonsum spielsüchtig war.

Roland Simon spricht über die Vergangenheit

Zunächst der Blick in die Gegenwart: Roland Simon ist Leiter der Karlsruher Selbsthilfegruppe Freundeskreis. Hier wird nicht nur spielsüchtigen geholfen – auch Menschen mit anderen Süchten sind hier willkommen. Seine Vergangenheit verfolgt Herr Simon aber auch heute noch täglich. Er war lange spielsüchtig – ungefähr 30 Jahre ist das jetzt her. Aber er verheimlicht diese Zeit nicht – im Gegenteil, er möchte darüber sprechen. Schließlich ist es auch ein großer Teil seines Lebens -es geht hier nämlich nicht nur um ein paar Monate Spielsucht, sondern:

Ungefähr zwölf/dreizehn Jahre also. Man steht auf, überlegt Wo kann ich Geld holen? Ich habe auch nebenbei noch gearbeitet, um mehr Geld zu haben. Zum Spieler Ja, es dreht sich von morgens bis abends eigentlich fast nur noch alles um die Sucht.

Wie wird man spielsüchtig?

Es ist schwer zu sagen was die Ursache so einer Sucht ist. Laut Herr Simon gibt es nicht den Einen Grund:

Es waren Defizite, mangelndes Selbstvertrauen, viele andere Dinge, die dazu führten, dass ich suchtkrank werde. Ich habe beim Spieler am Anfang ein Erfolgserlebnis gehabt. Es berichten ja auch viele beim Alkohol. Ich trinke zwei Bier, und dann bin ich mutiger, andere Menschen anzusprechen. Und irgendwann nimmt es überhand und man kann es nicht mehr kontrollieren.

Aber irgendwann muss es ja beginnen, irgendwann muss ja das erste Spiel gespielt werden – wie war das?

Ich war in einer Spielhalle und habe eigentlich nur Geld gewechselt an einem Spielautomat und habe mir dann 30 Pfennig Wasser. Es waren eine Serie gewonnen und ungefähr ich glaube 90 Mark. Oder was? Ich weiß heute, dass das zu vergleichen ist, wie wenn man Drogen nimmt. Wenn ich früher gespielt habe, dann habe ich keine Sorge mehr gehabt.

Und dann kommt man in eine Spirale, denn:

Nur wenn man aufhört zu spielen, dann kommt die Realität wieder. Dann merkt man, dass was nicht in Ordnung ist. Aber man will es nicht wahrhaben. Irgendwie war es da nur ab und zu und dann verliert man. Dann will man es zurückgewinnen, dann hat man zu viel Ehrgeiz und so hat sich das langsam reingesteigert über Jahre dann. Also das kommt nicht von heut auf morgen, also ist eine längere Geschichte.

Wie viel verspielt man in zwölf Jahren Sucht?

Eines der größten Probleme einer Spielsucht ist sicherlich der finanzielle Verlust. Mit jedem Spiel schwindet etwas Geld – mal ein paar Cent, mal ein paar Euros, und das über den kompletten Tag. Aber kann man sagen wie viel da konkret verspielt wurde?

Ich habe es nie ausgerechnet. Also, es war schon ein größerer Betrag, hätte bestimmt für eine Eigentumswohnung gereist. Heute sage ich. Das Schlimme war nicht das Geld, was ich verspielt habe. Es war die Zeit. Manchmal von morgens bis abends in der Spielhalle, wo andere Menschen im Cafe sitzen oder am Baggersee liegen. Heute weiß ich, wie wertvoll die Zeit ist.

Und heute?

Wie gesagt – heute spricht Herr Simon offen über seine Sucht. Aber wie ist das, wenn ein ehemaliger Spielsüchtiger an einer Spielhalle vorbei geht – kommt da die Vergangenheit wieder hoch?

Spielhalle sind gar kein Problem. Ich habe ja kein Spielverbot. Ich durfte Spiele, aber ich möchte es nicht. Und ich führ im Moment ein angenehmes Leben, also viel besseres Leben. Und das möchte ich auch nicht mehr hergeben. Irgendwann war es so, dass ich eigentlich mit dem Rücken zur Wand gestanden bin. Also das Konto total überzogen. Meine damalige Lebenspartnerin hat exakt so kann es nicht weitergehen. Dann war der Zeitpunkt, wo sie gemerkt hat Mit meinem Leben stimmt was nicht.

Wichtig: Es ist eine Krankheit

Theresa Malheur kennt sich mit Glücksspielsucht auch aus. Sie arbeitet in der Karlsruher Fachstelle Sucht und hat tagtäglich mit Suchtkranken zu tun. Für sie ist eine Sache ganz wichtig:

Die Menschen, die können nicht anders. Sie sind halt auch erkrankt. Das ist, wie wenn man jemand, der ein gebrochenes Bein hat, sagt jetzt lauf halt mal gescheit. So ist es halt auch in der Glücksspielabhängigkeit – da kann man nicht einfach sagen jetzt hör auf zu spielen.

Arbeit in Fachstelle ist schwierig

Jeden Tag mit Suchtkranken zu tun haben – das ist nicht einfach. Frau Malheur meint:

Im Bereich Glücksspiel ist es so, dass die Suizidalität da schon besonders stark ausgeprägt ist. Mehr als bei Alkohol zum Beispiel. Also die Menschen sind vor allem im Entzug deutlich mehr gefährdet. Wenn so jemand in die Beratung kommt ist das natürlich schon auch immer schwierig, vor allem wenn man nicht weiß, ob er wiederkommt.

Aber trotz allem gibt es auch immer wieder schöne Momente:

Ja, so emotional die Thematik natürlich auch ist. Trotzdem probieren wir immer, eine gute Portion Humor mit in unsere Therapiegruppe einzubringen, damit es einfach auch trotzdem Spaß macht. Das sind die schönsten Momente.

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