Region (dpa/dk) – Viele Kommunen im Südwesten befürchten nach der Veröffentlichung erster Zensus-Daten Einbußen in ihren Haushalten. Der Städtetag spricht von teils unerklärlichen Einwohnerverlusten bei der Volkszählung vor zwei Jahren im Vergleich zur bisherigen Bevölkerungszahl.
Der Städtetag Baden-Württemberg berichtet von erheblichen Einwohnerverlusten in vielen Gemeinden. Diese belaufen sich auf bis zu fast 15 Prozent und führen zu schmerzlichen Einbußen in den kommunalen Haushalten. „Besonders betroffene Kommunen signalisieren uns, dass eine solch erhebliche Korrektur für sie in vielen Fällen weder plausibel noch nachvollziehbar ist“, sagt Gemeindetagspräsident Steffen Jäger.
Die Bevölkerungszahlen sind entscheidend für den kommunalen Finanzausgleich, der den Kommunen 2023 Zuweisungen in Höhe von 14,3 Milliarden Euro einbrachte. Dieser Mechanismus gleicht die Finanzkraft der Kommunen im Land aus. „Wenn durch den Zensus nun die Einwohnerzahl einer Gemeinde überdurchschnittlich nach unten korrigiert wird, dann dürfte dadurch auch die Finanzzuweisung zurückgehen“, erklärt Jäger weiter.
Viele Städte und Gemeinden planen, gegen die Zensus-Ergebnisse vorzugehen. Jagsthausen bei Heilbronn droht bereits mit rechtlichen Schritten, sollte der signifikante Rückgang von 14,9 Prozent bestätigt werden. „Sollten sich die Zahlen wider Erwarten bestätigen, behalten wir uns selbstverständlich den Rechtsweg vor“, kündigt Bürgermeister Roland Halter an.
Der Städtetag führt den Bevölkerungsrückgang auf mehrere Faktoren zurück. Während der Pandemie lebten viele Studierende im Elternhaus, was die Einwohnerzahlen in Universitätsstädten senkte. Ein weiterer Punkt ist die unzureichende Abmeldung ausländischer Bürger, die das Land verlassen haben. „Es besteht ein erheblicher Erfassungsdefizit in Gebieten mit hoher Fluktuation und bei Bevölkerungsgruppen, die häufig ihre Wohnung wechseln, wie Studierende und Arbeitsmigranten“, so Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht.
Nicht alle Kommunen verzeichnen Verluste. Einige Gemeinden haben sogar Einwohner hinzugewonnen. Moosburg im Landkreis Biberach etwa verzeichnete einen Zuwachs von 14 Einwohnern, was die Gesamtzahl auf 226 erhöhte. Auch Pforzheim und Konstanz konnten ihre Einwohnerzahlen leicht steigern.
Die neuen Zensus-Zahlen werden ab 2025 teilweise und ab 2026 vollständig in die Berechnungen zum Finanzausgleich einfließen. Der Städtetag plant juristische und statistische Unterstützung für betroffene Kommunen. Ende September sollen konkrete Maßnahmen vorgestellt werden. „Wir beraten derzeit über Hilfen für die betroffenen Kommunen“, sagt Norbert Brugger vom Städtetag.
In Baden-Württemberg lebten 2022 laut Zensus gut 11,1 Millionen Menschen, rund 132.000 weniger als bisher gedacht. Damit steht der Südwesten im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ gut da. Bayern und Hessen verzeichneten höhere Verluste, Hamburg verlor sogar 3,5 Prozent seiner Bevölkerung.