Region (dpa/lsw) – Die nächste Katastrophe könnte an mehr als zwei Dutzend Kommunen im Kreis Esslingen sowie an Teilen Stuttgarts und Göppingens mehr oder weniger vorbeigehen, wenn das Handy gerade verlegt oder das Radio nicht angeschaltet ist. Denn wenn im Ernstfall neben Mobilfunk und Radio auch mit heulenden Sirenen vor Hochwasser, Terroranschlag oder Chemieunfall gewarnt wird, sind etliche baden-württembergische Gemeinden außen vor. Am bundesweiten Warntag sollen das System getestet und die Lücken festgehalten werden. Was ist heute geplant und warum gibt es nicht überall Sirenen?
Am bundesweiten Warntag soll der Katastrophenfall simuliert werden. Ziel ist es zum einen, die Menschen zu sensibilisieren und zu schulen. Zum anderen wollen Städte und Gemeinden, Land und Bund die Schwachstellen kontrollieren und schauen, was sich verbessert hat seit dem Warntag vor zwei Jahren. Gewarnt werden soll um 11.00 Uhr auf mehreren Wegen, um möglichst viele Menschen zu erreichen. Die Entwarnung ist für 11.45 Uhr vorgesehen.
Das Bundesinnenministerium und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) haben die Warnlandschaft neu aufgestellt. Die Idee hinter dem neuen Warn-Mix: Wird die Warnung auf verschiedenen Wegen ausgesandt, können möglichst viele Menschen erreicht werden. Gewarnt wird über Radio, Fernsehen, digitale Stadtanzeigetafel oder Warn-Apps wie Nina, erstmals wird auch Cell Broadcast genutzt. Bei diesem Warnsystem erhalten Handynutzer, die sich zu einer bestimmten Zeit in einer Funkzelle aufhalten, eine Mitteilung, die per Push-Nachricht verschickt wird und die wie eine SMS aussieht und von einem schrillen Alarmton angekündigt wird.
Beim ersten bundesweiten Warntag am 10. September 2020 war einiges schief gelaufen. Unter anderem kam die Meldung der Warn-Apps Nina und Katwarn erst mit einer guten halben Stunde Verspätung auf den Smartphones an. Wäre es tatsächlich ein Ernstfall gewesen, hätten viele Bürger nichts mitbekommen. Das Bundesinnenministerium hatte den Probealarm deshalb damals als «fehlgeschlagen» bezeichnet. Ein ursprünglich für September 2021 geplanter Warntag war abgesagt worden.
Besser sicher, aber bei weitem nicht perfekt, das ist bereits deutlich. Das liegt nicht nur daran, dass Cell Broastcast nicht alle Handys erreichen wird, weil das System nur auf neuen Modellen funktioniert und dann auch nur, wenn sie eingeschaltet und in einer Mobilfunkzelle eingebucht sind. Vollständig in Betrieb gehen soll der neue Warnkanal voraussichtlich erst im Februar 2023. Der Ausbau der Sirenen-Landschaft in den Städten und Gemeinden geht zudem nur mühsam voran.
Viele Anlagen sind nach dem Ende des Kalten Krieges abgebaut worden, weil man sie nicht mehr für nötig hielt. Andere sind zu alt oder kaputt. Mittlerweile hat ein Umdenken stattgefunden. Die Corona-Pandemie, das Jahrhunderthochwasser im Westen und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine haben den Menschen in Deutschland die staatlichen Defizite im Zivil- und Katastrophenschutz schonungslos vor Augen geführt. Nun unterstützt der Bund die Länder bei der Aufstellung neuer Sirenen und der Modernisierung alter Sirenen mit einem Förderprogramm, das viele aber als nicht umfangreich genug kritisieren.
Anders als Apps oder Cell Broadcast können sie auch warnen, wenn Wlan und Mobilfunk ausfallen. Und nachts sind Radio und Fernseher oft ausgeschaltet. Bei Stromausfällen sind Durchsagen und Einblendungen zudem nutzlos, weil nur in wenigen Haushalten batteriebetriebene Empfangsgeräte stehen. Sirenen können Menschen aus dem Schlaf reißen, wenn die Gefahr nachts droht. Der Nachteil: Bei Donner und Flut können sie schlecht zu hören sein. Vorgeschrieben sind Sirenen nur in der Nähe von Atomkraftwerken und großen Chemiebetrieben.
Wie beim Warntag vor zwei Jahren auch setzt sich der Alarm aus einem Warnton (auf- und abschwellender Heulton) und einem Entwarnungston (Dauerton) zusammen.