Karlsruhe/Rastatt (dpa/lk) – Was ist bundesweit das schönste Land? Baden, was sonst. Zumindest, wenn man dem „Badnerlied“ glauben mag. Dumm nur, dass die Sachsen und Bayern im nahezu gleichen Duktus ihr Land als das schönste wähnen. Inoffizielle Hymnen auf den eigenen Landstrich gibt es zuhauf. Doch nur wenige werden noch mit so viel Inbrunst gesungen wie das „Badnerlied“. Und nur wenige haben derart viele Umdichtungen erfahren. In diesem Jahr feiert das Lied seinen 125. Geburtstag: Die älteste bekannte Publikation findet sich in einem Liederheft zum 16. Badischen Pioniertag in Heidelberg aus dem Jahr 1896.
Das unscheinbare Heftchen entdeckte der Direktor des Wehrgeschichtlichen Museums in Rastatt, Alexander Jordan, vor neun Jahren bei Recherchen zum Jubiläum „900 Jahre Baden“. Es war eine kleine Sensation. War das Lied damit doch älter als bis dahin gedacht. Historiker Jordan vermutet, dass es im Zusammenhang mit dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) entstand. „Im patriotischen Überschwang des gewonnenen Krieges gegen Frankreich und im Andenken an die Gefechte, an denen ein Großteil der männlichen Bevölkerung teilgenommen hatte, sind viele volkstümliche Lieder entstanden.“ Auch das „Badnerlied“ wurde häufig von Soldaten gesungen.
„Wie alt das „Badnerlied“ wirklich ist, weiß niemand so genau“, sagt Michael Fischer, Direktor des Zentrums für Populäre Kultur und Musik an der Freiburger Uni. Annahmen, dass die Hymne schon im frühen 19. Jahrhundert im größer gewordenen Baden gesungen wurde oder mit der Badischen Revolution 1848/49 zusammenhängt, sieht er nicht belegt. Auch wenn es irgendwie passen würde. Denn ob bei Festen, Jubiläen, Politveranstaltungen oder Fußballspielen – der eingängige Refrain („Drum grüß ich dich mein Badner Land, du edle Perl‘ im deutschen Land, deutschen Land! Frisch auf, frisch auf, frisch auf, frisch auf, frisch auf, frisch auf mein Badner Land!“) wird nicht nur aus Freude am Singen angestimmt. Es ist für einige auch immer ein kleiner Aufstand.
Ein bisschen zahlen die Badener dann den Schwaben heim, dass sich viele bei der nachträglichen Abstimmung zum Südwest-Staat vor über 50 Jahren über den Tisch gezogen fühlten und dass – zumindest aus Sicht von Robert Mürb, dem Vorsitzenden der Landesvereinigung Baden in Europa – Württemberg teils noch immer finanziell bevorzugt werde. Neben Umdichtungen zu Jubiläen oder zu einzelnen Orten gibt es so auch Fieses und Hämisches gegen die Schwaben wie: „In Konstanz fließt der Rhein noch blau, In Mannheim wird er grau, Da fließt der dreckig Neckar rein, Die alte Schwabensau.“ oder „In Sipplingen beim Seepumpwerk, da pumpt man Wasser raus, Wir Badner pinkeln fröhlich rein, Die Schwaben saufens aus.“
Mehr als 1000 Strophen hat das ursprünglich dreistrophige Lied nach Recherchen des Freiburgers Ossi W. Pink inzwischen. Dass ein eher altbackenes Liedchen („In Karlsruhe ist die Residenz, in Mannheim die Fabrik, in Rastatt ist die Festung, und das ist Badens Glück!“) so angesagt ist, hat für Historiker Peter Exner vom Generallandesarchiv Karlsruhe etwas mit Identitätsbildung zu tun. Für Kulturwissenschaftler Fischer ist es ein Phänomen: „In seiner 125-jährigen Geschichte hat sich das „Badnerlied“ von einem Militär- und Vereinslied zu einem Stimmungshit gewandelt.“ Zwar wirkt es auf ihn bei offiziellen Anlässen mit seiner Mischung aus Stolz und Provinzialität eher befremdlich. Doch, so betont er: „In Bierzelten und Stadien funktioniert es.“
Selbst der Schwabe Winfried Kretschmann hat kein Problem, das „Badnerlied“ mitzusingen. „Wenn heute noch voller Inbrunst im badischen Landesteil das „Badnerlied“ gesungen wird, dann zeugt dies von einem gesunden regionalen Selbstbewusstsein – aber sicher nicht von separatistischen Bestrebungen“, sagte er. Persönlich hat der Grünen-Politiker es im Jahr 2012 zum ersten Mal mitgesungen. „Im Schwarzwälder Freilichtmuseum in Gutach war das. Nicht als Schwabe, sondern als Landesvater. Und seither darf ich hier im Badischen jederzeit das „Badnerlied“ mitsingen – als hohenzollerischer Schwabe mit Flüchtlingshintergrund. Das nenne ich: Heimat teilen!“ Für den Regierungschef ist die Geschichte Baden-Württembergs eine Erfolgsgeschichte. Der Zusammenschluss vor fast 70 Jahren habe sich bewährt. Eine heimatliche Verortung sei wichtig, weil Heimat Halt und Orientierung gebe. „Und es hilft uns, einen guten Weg in die Zukunft zu finden.“
Was macht es da schon, dass die Badener ihre heimliche Hymne wohl bei den Sachsen abgekupfert haben. Schließlich haben das die Pfälzer und Bayern auch getan. „Bei solchen Liedern war früher nicht so sehr Originalität gefragt, sondern die Anpassung an die regionalen Gegebenheiten. Man dichtete die Vorlagen einfach so um, dass sie auch für das eigene Land passten“, erläutert Forscher Fischer. „Das schönste Land in Deutschlands Gau’n“ ist also eigentlich Sachsen. Ach was, sagt Baden-Vereins-Chef Mürb: Für die 5,1 Millionen Einwohner in seinem Landesteil ist es natürlich Baden.