Baiersbronn (dpa/cb) – Ein abgeschiedenes Schwarzwald-Tal soll nach dem Willen der Landesregierung künftig zum Nationalpark gehören. Bewohner fragen sich, ob sie dann mit Verboten leben müssen.
Verstreute Häuser, viel Natur und kein Durchgangsverkehr: Im Langenbachtal können Besucher noch Schwarzwald pur erleben. Für die rund 150 Bewohner ist es wohl mit der Idylle vorerst vorbei, denn sie sind auf einmal ins Licht der Öffentlichkeit geraten. Das zur Gemeinde Baiersbronn gehörende Gebiet soll nach dem Willen der grün-schwarzen Landesregierung bald zum Nationalpark Schwarzwald gehören.
Bewohner des engen Tals erwarten, dass es Einschränkungen geben wird, etwa im Wald. Gerd Zifle ist dort viel zu Fuß und mit dem Rad unterwegs. Im benachbarten Nationalpark wurden bereits viele Wege gesperrt, wie der 51-Jährige berichtete. «Ich befürchte, dass es bei der Erweiterung auch hier der Fall sein wird.» Wer in den Nationalpark kommt, trifft häufig auf Hinweistafeln – es dürfen nur gekennzeichnete Wege und Flächen betreten werden. Ein anderer Bewohner kündigte bereits an, auch im vergrößerten Nationalpark weiter seine Waldwege nutzen zu wollen.
Fragen gibt es auch zur Wasserversorgung. Reimund Eisele, der ein Stück weiter entfernt wohnt und einen freien Blick ins Tal hat, will seine eigene Quelle behalten. «Ich bin sehr froh um das Wasser.» Einwände, wonach man künftig wohl keine Pilze mehr sammeln könne, teilt er persönlich nicht: «Wenn ich keine mehr sammeln darf, dann gehe ich woanders hin, weit weg vom Nationalpark.» Der Naturliebhaber befürwortet einen vergrößerten Nationalpark und hofft, noch mehr Wildtiere wie den Goldschakal vor der Haustür sehen zu können.
Nach Widerspruch in der Region verteidigte Regierungschef Kretschmann Anfang des Monats die Ausweitung unlängst im höchsten Entscheidungsgremium des zehn Jahre alten Nationalparks. Für das Riesenprojekt sollen Flächen der Waldgenossenschaft Murgschifferschaft gegen Staatswald in derselben Region getauscht werden.
Die Interessen der Menschen an Ort und Stelle sollten so weit wie möglich berücksichtigt werden, versicherte der Grünen-Politiker. Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) fügte hinzu, in dem besiedelten Gebiet könne es eine sogenannte Managementzone geben. Menschen könnten sich dort frei bewegen und etwa auch Hunde ausführen. Endgültige Festlegungen gibt es aber bisher nicht.
Der Nationalpark ist bisher das einzige Großschutzgebiet dieser Art im Südwesten – und deshalb besonders prestigeträchtig. Eine Besonderheit eines Nationalparks ist, dass der Mensch in einem bestimmten Kerngebiet nicht mehr eingreift.
Dieses weitgehende Konzept des Schutzgebiets löst im Lagenbachtal Sorgen aus. Denn im Nationalpark bleiben Fichten, die vom Borkenkäfer befallen sind, stehen – und werden nicht wie woanders gefällt. «Da ist alles schon braun», sagte Anwohner Zifle mit Blick auf ein Waldstück im nahen Nationalpark. «Wird das dann auch bei uns so sein?»
In die Debatte um den Schädling schaltete sich bereits die Landes-Forstkammer ein, die die Interessen von Waldbesitzern vertritt. «Je näher man dem Nationalpark kommt, umso größer sind die Borkenkäferschäden», sagte Geschäftsführer Jerg Hilt laut einer Mitteilung. Sogenannte Pufferstreifen rund um den Nationalpark zum Schutz angrenzender Wälder müssten deshalb auf einen Kilometer Breite verdoppelt werden, lautet eine Forderung des Verbands.
Die Erweiterung beschäftigt auch das Rathaus des Ferienorts Baiersbronn, der überregional für seine Spitzengastronomie bekannt ist. «Was heißt Managementzone?», fragte Bürgermeister Michael Ruf. «Wie stark kann hier eingegriffen werden? Das Thema ist deutlich komplexer, als man sich das im ersten Moment vorstellt», fügte der parteilose Lokalpolitiker aus dem Kreis Freudenstadt hinzu. «Für die Bevölkerung wird sich die Situation schon sehr stark verändern.»
Für Ruf geht es etwa um Straßen, Stromtrassen und die Wasserversorgung im Langenbachtal. Nicht zu vergessen sei der kleine Friedhof mit 25 Gräbern, der auf einer Anhöhe über dem Weiler Zwickgabel liege.
Das Ziel, wonach das oberste Entscheidungsgremium des Nationalparks möglichst bis Ende Januar endgültig über die Vergrößerung entscheiden solle, halte er für sehr unglücklich, sagte Ruf. Betroffene in seiner Gemeinde müssten vorher gehört werden. «Das hatten wir bisher nicht», resümierte der Rathauschef mit Blick auf die neue Lage. «Siedlungsgebiete lagen bisher immer am Rand des Nationalparks.»