Region (lea) – Essen, ohne auf den Preis schauen zu müssen. Sich aufwärmen, ohne dabei Angst vor den explodierenden Energiekosten zu haben. Noch nie waren die Vesperkirchen in der Region so wichtig wie in diesen Zeiten. In Karlsruhe und Pforzheim laufen sie schon auf Hochtouren. In Nagold beginnt die Vesperkirche am 05. Februar in der Friedenskirche. Calw startet seine siebte Vesperkirche am 02. Februar in der Stadtkirche. Das kirchlich-soziale Angebot soll dazu beitragen, in der kalten Jahreszeit die Angst um das tägliche Brot vieler Menschen zu lindern. So soll das Miteinander der Gesellschaft gestärkt und Gemeinschaft gelebt werden. Die Vesperkirche in Karlsruhe läuft noch bis zum 05. Februar. In Pforzheim gibt es das Angebot noch bis zum 12. Februar.
„Es ist grundsätzlich ein Grund zum Feiern, dass so viele Menschen hier bereit sind, sich für Randständige einzusetzen“, erklärt Lara Pflaumbaum. Die Pfarrerin und hauptamtliche Projektleiterin der Karlsruher Vesperkirche freut sich angesichts des Jubiläums des Projekts. „Es ist herzerwärmend mitzukriegen, wie viele Menschen bereit sind, sich zu engagieren“, betont sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Dass es überhaupt eine Vesperkirche benötige, um der Armut entgegenwirken zu können, sei hingegen nichts, worauf man stolz sein sollte. Dieses Jahr befürchtet die Pfarrerin einen größeren Andrang in der Vesperkirche. „Leute werden insolvent, die eigentlich ganz gut dastanden. Und die schlagen dann bei uns auf.“ Diese Entwicklung bereite ihr Sorgen.
Auf zehn Jahre Vesperkirche in der Johanniskirche am Werderplatz können die zahlreichen Ehrenamtlichen jetzt zurückblicken. Darauf sei man stolz, betont Pflaumbaum. Um den runden Geburtstag gebührend zu würdigen, haben sich die evangelische Kirche und das Diakonische Werk Karlsruhe einiges einfallen lassen: Während der Vesperkirche, die noch bis zum 05. Februar läuft, können die Besucher eine Ausstellung im Inneren der Kirche bestaunen. Hier werden Fotos und Kunstwerke aus zehn Jahren Vesperkirche ausgestellt. Einmal wöchentlich werden zudem am Glücksrad Einkaufsgutscheine und Sachpreise verlost. Außerdem haben die Besucher die Möglichkeit, sich zur Erinnerung in der Kirche fotografieren zu lassen.
Bei Gulasch, Nudeln oder Käsebroten bietet die Johanniskirche einen Ort der Begegnung und des Austauschs. Gegessen werden muss aber – wie auch während der Hochzeiten der Pandemie – draußen. Grund sei das immer noch gegebene Ansteckungsrisiko. So wird das Essen wieder an der „Ausgabenstraße“ verteilt und in der Kirche herrscht Maskenpflicht. Aufwärmen kann man sich dort aber trotzdem: Wärmeinseln und Sitzgruppen laden zum Verweilen ein. Daneben öffnet die gut bestückte Kleiderkammer während der Vesperkirche täglich außer freitags ihre Tore. Bei Friseuren können sich die Besucher kostenlos die Haare schneiden lassen. Besonders beliebt seien auch die kostenfreien Angebote von Arzt und Tierarzt, so Pflaumbaum.
Seit dem 15. Januar läuft die Vesperkirche in Pforzheim. „Pro Tag brauchen wir Minimum vierzig Helfer“, sagt Elisabeth Schweizer, Mitglied des Leitungsteams. Auf der projekteigenen Internetseite werden daher Helfer gesucht, die im besten Fall spontan einspringen können. Aber auch Sachspenden seien herzlich willkommen: „Selbstgebackene Kuchen können wir gut gebrauchen. Die kommen immer besonders gut bei den Gästen an.“ Als einzige Vesperkirche in Baden-Württemberg bieten die Ehrenamtlichen in Pforzheim neben einem Mittagessen und Kaffee und Kuchen auch ein Frühstück an. Das warme Mittagessen mit einem Vesper zum Mitnehmen kostet symbolisch einen Euro. Kaffee, Tee und andere Getränke werden umsonst angeboten.
Schon zum 24. Mal lädt die Vesperkirche zum gemeinsamen Essen und Begegnen in der Stadtkirche in Pforzheim. Täglich kümmern sich Seelsorger und Sozialarbeiter um deren Besucher. Wie auch in Karlsruhe kommen Friseure und Ärzte und bieten kostenlose Leistungen an. Das Angebot wird von den Besuchern gut angenommen: „Wir begannen mit 50 Gästen, und es wurden immer mehr. Inzwischen liegt die Spitze bei 600 Gästen pro Tag“, heißt es auf der Internetseite der Vesperkirche. Ziel sei es, der wachsenden Armut in der Gesellschaft zu begegnen. Denn angesichts steigender Energie- und Lebenshaltungskosten erwarten die Organisatoren mehr Menschen, die auf die Vesperkirchen angewiesen sind.