Pforzheim/Karlsruhe (dpa/lk) – Das Karlsruher Verwaltungsgericht hat die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung infrage gestellt, in der die härteren Corona-Maßnahmen im Hotspot Pforzheim geregelt sind. Das könnte das falsche Instrument dafür sein, teilte das Gericht am Donnerstagabend mit. Auch andere Kommunen mit hohen Infektionszahlen nutzen Allgemeinverfügungen. Ein Sprecher des Sozialministeriums sagte, man wolle die Begründung des Gerichts am Freitag prüfen und – wenn nötig – Konsequenzen ziehen. Wichtig sei, dass das Gericht die Maßnahmen an sich nicht beanstandet habe. Das Landratsamt Enzkreis, zuständig auch für Pforzheim, kündigte an, trotz hoher Fallzahlen zunächst keine weiteren Verfügungen zu erlassen oder zu verschärfen.
Die Corona-Regeln müssen vor allem eins sein: gerichtsfest. Doch in einigen Fällen haben Richter ihre Zweifel. Weil sich die Regeln auf das gesamte Stadtgebiet Pforzheims und auf verschiedenste Verhaltensweisen im öffentlichen Raum erstreckten, „seien die Grenzen für den Erlass einer Allgemeinverfügung wohl überschritten“, teilte das Verwaltungsgericht in Karlsruhe mit. Eine Allgemeinverfügung müsse aber einen „hinreichend (…) abgegrenzten“ Sachverhalt regeln. Diese Begrenzung könne zum Beispiel räumlicher oder zeitlicher Art sein. Allgemeinere Regelungen müssten in Form von sogenannten Rechtsnormen ergehen, teilte das Gericht mit. Die landesweit gültigen Regeln hat die Landesregierung beispielsweise über eine sogenannte Rechtsverordnung erlassen.
Auch im Enzkreis wollen die Behörden erst die „sehr ausführliche Begründung“ bewerten, bevor sie – wie ursprünglich für Donnerstag geplant – weitere Maßnahmen erlassen. „Es macht keinen Sinn, für den Enzkreis eine praktisch identische Verfügung zu erlassen wie die, die dem Gericht zur Entscheidung vorlag und bei der das Gericht doch deutliche Bedenken hatte“, sagte der Erste Landesbeamte Wolfgang Herz einer Mitteilung zufolge. Pforzheims Oberbürgermeister Peter Boch erklärte: „Solche gravierenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens wie Ausgangsbeschränkungen müssen natürlich vor Gericht Bestand haben, das ist Teil unseres Rechtsstaats.“
Pforzheims Oberbürgermeister Peter Boch hat die verschärften Corona-Regeln für die Stadt kritisiert. Für ihn seien diese neuen Ausnahmen laut Medienberichten bei genauerer Betrachtung eine „Nebelkerze“. Die Ausgangssperre sei wenig wirksam, wenn etwa die Geschäfte geöffnet hätten. „Und wenn die Bürgerinnen und Bürger einen triftigen Grund finden können, das Haus zu verlassen, dann werden sie das auch tun.“ Man werde die Maßnahmen natürlich umsetzen, so Boch. „Wir glauben jedoch, dass sie nichts bringen.“ Man werde selbst nachschärfen, wenn das notwendig sei. Bochs Empfehlung: ein landesweiter Lockdown ab dem 20. Dezember.
Die baden-württembergische Regierung hatte die Kommunen angewiesen, strengere Maßnahmen als in der landesweit gültigen Rechtsverordnung zu ergreifen, wenn an drei Tagen in Folge die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen einer Woche bei 200 oder darüber liegt. Solche Allgemeinverfügungen haben beispielsweise auch die Stadt Mannheim sowie die Landkreise Calw und Lörrach erlassen. Darin sind unter anderem nächtliche Ausgangsbeschränkungen, weitreichende Vorgaben zur Maskenpflicht sowie die Schließung etwa von Friseursalons, Barbershops und Sonnenstudios geregelt.
Das Sozialministerium selbst hatte erst Donnerstag das Gesundheitsamt im Enzkreis aufgefordert, per Allgemeinverfügung noch strengere Maßnahmen für Pforzheim anzuordnen, weil in der Stadt die sogenannte Sieben-Tages-Inzidenz seit mehr als drei Tagen über dem Wert von 300 liegt. Zu den geforderten Maßnahmen zählt vor allem die Ausweitung der Ausgangsbeschränkungen auf die Zeit von 5:00 bis 20:00 Uhr. Auch tagsüber sollten Menschen dann nur mit triftigen Gründen die Wohnung verlassen dürfen – etwa wenn sie zur Arbeit oder zum Arzt wollen.