Region (pm/dk) – Die Zahlen sind alarmierend: Immer mehr Kinder in Deutschland leiden an Übergewicht oder sogar an Adipositas. Wo früher draußen Fangen gespielt und Bälle gekickt wurden, sitzen heute viele Kinder vor Bildschirmen. Die Folgen sind deutlich sichtbar – sowohl körperlich als auch gesundheitlich. Professor Klaus Bös, Sportwissenschaftler am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), spricht über die Gründe für diese besorgniserregende Entwicklung und was wir dagegen tun können.
„In den 90er Jahren waren rund 10 % der Kinder übergewichtig und 3 % adipös. Heute sind etwa 15 % übergewichtig und rund 6 % adipös – das bedeutet, die Zahl der adipösen Kinder hat sich verdoppelt“, erklärt Bös. Diese Steigerung ist kein Zufall, sondern das Ergebnis verschiedener Veränderungen in der Lebensweise unserer Kinder.
Der Wechsel von der Kita in die Grundschule und später in die weiterführende Schule führt oft dazu, dass sich Kinder immer weniger bewegen. „In der Kita haben die Kinder noch viel mehr Raum und Zeit für Bewegung. In der Schule wird das deutlich weniger, und genau da liegt das Problem“, sagt Bös. Neben dem Mangel an Bewegung ist auch die Ernährung ein entscheidender Faktor: „Unsere Kinder essen zu viel zuckerhaltige Lebensmittel und trinken vor allem ungesunde Softdrinks.“
Ein wichtiger Punkt ist die Vorbildfunktion der Eltern. „Wenn Eltern selbst aktiv sind und ihren Kindern Bewegung vorleben, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass auch die Kinder Spaß daran haben.“ Doch das moderne Freizeitverhalten macht es den Eltern schwer, ihre Kinder von der Couch zu holen. „Früher gab es keine Alternativen – die Kinder gingen raus und spielten. Heute bieten Smartphones und Co. eine ständige Ablenkung.“
„Ich halte Softdrinks für ein viel größeres Problem als feste Nahrung.“, warnt Bös. Die enormen Kalorienmengen in süßen Getränken lassen sich durch Bewegung kaum ausgleichen. Deshalb sei es wichtig, Kinder schon früh auf Wasser und Tee zu sensibilisieren.
Damit Kinder sich gerne bewegen, muss es ihnen Freude bereiten. „Das Kinderturnen ist die perfekte Grundlage. Hier lernen die Kinder grundlegende motorische Fähigkeiten, die sie später in allen Sportarten anwenden können.“ Für übergewichtige Kinder ist es besonders wichtig, Erfolgserlebnisse zu haben: „Man sollte gezielt Situationen schaffen, in denen auch kräftigere Kinder glänzen können, zum Beispiel beim Tauziehen oder Ballwerfen.“
Wenn Kinder von Anfang an erfahren, dass Bewegung Spaß macht und Anstrengung nichts Schlechtes ist, werden sie diese positive Einstellung auch im Erwachsenenalter beibehalten. „Für Kinder ist Bewegung vielleicht sogar noch wichtiger als für Erwachsene, weil sie damit den Grundstein für ihren späteren Lebensstil legen“, so Bös.