Tiny Houses sind Trend und bleiben im Südwesten eine Nische

01. Juli 2022 , 13:00 Uhr

Karlsruhe (dpa/lsw) – Früher wohnte sie in einem Haus mit 220 Quadratmetern. Heute spielt sich ihr Leben auf 22 Quadratmetern ab. Vermissen tut sie nichts. Nein, bekräftigt Carola Dreiszas, man braucht nicht viel. Die 53-Jährige steht in ihrem supergemütlich eingerichteten Tiny House auf einem Campingplatz in Waldbronn. Dort hat der Platzbetreiber Parzellen zur Pacht für Menschen zur Verfügung gestellt, die hier ein Tiny House hinstellen wollen. Rund 15 stehen inzwischen dort, seit im Jahr 2018 der erste hier sein Minihaus aufbaute. Für 18 bis 20 sei Platz, erläutert die dortige Tiny-House-Besitzerin Larissa Pferdmenges vom Vorstand des Vereins Tiny Houses für Karlsruhe.

Tiny Houses überall in Deutschland

Tiny Houses gibt es inzwischen überall in Deutschland. Noch sind es nicht viele, denn passende Grundstücke in Wohngebieten und außerhalb von Campingplätzen sind rar. Zahlen zur bisherigen Verbreitung von Tiny Houses und zur Einschätzung des Marktpotenzials zu finden, ist nicht einfach, erzählt Regina Schleyer, die im Vorstand des Tiny House Verbandes in Karlsruhe ist.

Stark steigendes Interesse an kleinen Häusern

Der Tiny-House-Experte Christian Brecht hat 2021 die nach eigenen Angaben bisher erste Marktstudie dazu vorgelegt, in Zusammenarbeit mit dem Verband. Demnach gibt es inzwischen bundesweit immerhin rund 2.000 aktive Mitglieder in Vereinen und ein stark steigendes Interesse an den kleinen Häusern. Das Marktpotenzial wird in der Studie auf rund 3,9 Milliarden Euro geschätzt: Den Betrag rechneten die Verfasser aus verschiedenen statistischen Angaben hoch wie etwa der Zahl der Single-Haushalte, die ein Bauvorhaben planen und sich alternative Wohnformen vorstellen können. Knapp 60.000 potenzielle Bauherren könnten sich diesen Zahlen zufolge ein Tiny House für sich vorstellen. Laut Verband werden derzeit mehr als 500 Häuser von mehr als 75 Herstellern bundesweit gebaut.

„Minimalismus“ sei wichtiger Beweggrund

Der Markt entwickelt sich sehr positiv, sagen Schleyer und Brecht unisono. Es gebe beispielsweise mehr und mehr Singles beziehungsweise Haushalte mit nur einer Person. Das erhöhe den Bedarf an kleinen Wohnformen, erläutert Brecht. Immer mehr Menschen machten sich zudem Gedanken über ein einfaches Leben und mehr Nachhaltigkeit. 83 Prozent von 24 befragten Tiny-House-Herstellern hätten angegeben, dass „Minimalismus“ ein wichtiger Beweggrund für die Kunden sei. Die oft horrenden Preise für klassische Immobilien täten ihr übriges, um das Interesse an der Wohnform weiter anzufachen.

Mit 110.000 Euro ein Haus für eine Kleinfamilie

Das bestätigt Pferdmenges, die mit Mann und sieben Monate altem Sohn seit vergangenem September auf vergleichsweise großzügigen 50 Quadratmetern lebt und keinesfalls zurück in eine Mietwohnung möchte. Mit rund 110.000 Euro war die Kleinfamilie dabei – unmöglich, zu diesem Preis ein ähnlich attraktives Eigentum im Raum Karlsruhe zu erwerben. Jacek Hage hat mit Freundin gerade mal 25.000 Euro für sein 20-Quadratmeter-Häuschen bezahlt und Michele Paldino für sein ähnlich kleines Haus etwa 36.000 mit allem Drum und Dran. Jetzt leben sie hier, Idylle pur auf dem Campingplatz in Waldbronn.

Es läuft nicht immer alles rund

Doch nicht immer läuft es so rund für die, die sich für ein Tiny House interessieren. Baurechtlich gesehen werden die Mini-Häuser wie ganz normale Häuser behandelt. Sie sind nach Worten eines Sprechers des Bauministeriums genehmigungspflichtig, müssen – auch wenn es in manchen Bereichen Erleichterungen bei der Genehmigung gibt – Brandschutzvorgaben erfüllen und dürfen in einem Wohngebiet nur dann errichtet werden, wenn eine solche Wohnform dort erlaubt ist.

Laut Ministerium keine Alternative für herkömmliche Häuser

Dass die Mini-Häuser trotz niedrigerer Gesamtbaukosten zu einer ernstzunehmenden Alternative für herkömmliche Häuser werden, glaubt das Ministerium nicht. Eine Chance für diese kleine Wohnform dürfte sich insbesondere auf bestimmten, nicht vollständig genutzten Bestandsflächen ergeben oder etwa auch als „Wohn-Zwischennutzung“, heißt es von dort.

Löst nicht die Wohnungsnot

Im Südwesten interessieren sich jedoch durchaus mehr und mehr Kommunen für die Mini-Häuser. Tiny Houses seien ein Beleg dafür, welch vielfältige Wohnformen denkbar sind, sagt der Gemeindetag. Der Blick auf schon realisierte Projekte im Land zeige, dass die Nachfrage offensichtlich vorhanden sei. Allerdings werde sich das Problem der Wohnungsnot damit nicht lösen lassen.

„Die Nachfrage war riesig“

Die Stadt Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) hat nach eigenen Angaben erstmalig in Baden-Württemberg auf städtischen Grundstücken fünf Parzellen für Tiny Houses ausgewiesen. Alle sind inzwischen bebaut und die Mini-Häuser bezogen, die ersten im Dezember vergangenen Jahres. „Die Nachfrage war riesig“, sagt eine Stadtsprecherin. Für die Grundstücke habe es zunächst rund 150 Bewerber gegeben. Inzwischen schwoll die Warteliste auf mehr als 900 Interessenten an – die Stadt nahm das Formular dafür von ihrer Webseite.

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