Straßenbaustellen: Mehr als ein Ärgernis für Autofahrer

16. Dezember 2018 , 11:14 Uhr

Straßenbaustelle – für die meisten Pendler steckt hinter diesem Wort nur eines und zwar eine Menge Ärger. Ob man jetzt die Rheinbrücke Wörth-Karlsruhe als Großprojekt-Beispiel aus unserer Region nimmt, die IKEA-Baustelle oder auch nur die kleinen temporären Flickarbeiten an der Fahrbahnoberfläche, die nur wenige Tage oder sogar nur Stunden beanspruchen. Für uns bedeutet es praktisch immer nur Stau, früher aufstehen, später heimkommen und jede Menge vergeudete Lebenszeit beim Anblick von Vordermann-Rücklichtern, Baumaschinen, Absperrbändern und Männern in Orange und Neongelb.

Allerdings: Mit Pendler-Gängelei hat das niemals etwas zu tun, das ist nur der nervige Nebeneffekt. Tatsächlich ist so eine Straßenbaustelle auch ein ziemlich faszinierendes Projekt der öffentlichen Hand. Der folgende Artikel will sowas mal Schritt für Schritt beleuchten – und damit auch vielleicht ein paar Irrtümer ausräumen, die dazu führen, dass man sich überhaupt so sehr über die Baustellen ärgert.

1. Grundregel: Nichts ist unnötig

Zunächst müssen wir dazu mit einem weitverbreiteten Irrglauben aufräumen. Dem, wonach es überflüssige Baustellen gäbe. Dazu muss man sich nur mal vergewissern, dass jede Straßenbaustelle, egal welchen Umfangs, die öffentlichen Kassen belastet – wahlweise die der Kommune, des Kreises, Landes oder sogar des Bundes, je nachdem, um welche Art von Straße es sich handelt, denn sie alle haben unterschiedliche „Herren“.

Und das sind selbst im untersten Segment mindestens vierstellige Summen (etwa, wenn einfach bloß sämtliche Schlaglöcher einer Straße eine rasche Teerfüllung bekommen), die sich aber fix ins sechs- oder siebenstellige steigern können. Und Geld zu verschenken hat, salopp formuliert, in Deutschland niemand – vor allem nicht die notorisch klammen Gemeinden, Länder oder Kommunen.

Man darf also davon ausgehen, wenn irgendwo eine Straßenbaustelle vorhanden ist, dann ist sie nicht nur nötig, sondern es ist heute oftmals höchste Eisenbahn, weil die Entscheider aus Geldnot vielleicht überlange damit warteten.

 


Europaweit herrschen ähnliche Grundregeln: Fachleute prüfen Straßen in festgelegten Abständen – und entscheiden, wann saniert werden muss.

2. Wir müssen was tun

Wer gibt den Entscheidern einer Stadt wie Karlsruhe oder dem Bund als Eigentümer der Bundesstraßen und Autobahnen eigentlich das Signal „Hey, da muss etwas repariert werden“ ? Tatsächlich ist das oftmals eine Mischung: Vor allem die Schäden, die öffentlich gut sichtbar sind – etwa Schlaglöcher – werden häufig genug von Pendlern, Anwohnern und anderen Betroffenen in die Rathäuser gemeldet.

Der überwiegende Teil jedoch entstammt der unermüdlichen Arbeit von Spezialisten. Es können die Angestellten der kommunalen Bauhöfe sein, die Planer der Stadtentwicklung, öffentlich bestellte Statiker oder andere Verkehrsspezialisten. Diese Profis kommen zu dem Schluss, dass etwas an einer bestehenden Straße verändert werden muss. Sei es das schnelle Ausbessern von Schäden oder auch gewaltige Maßnahmen – etwa die erwähnte Rheinbrücke, die mehr als 50 Jahre auf den Pfeilern hat.

Bei Sanierungsarbeiten stecken dahinter meistens periodisch durchgeführte Prüfungen. Dazu gibt es die DIN-Norm 1076. Sie gibt den verpflichtenden Leitrahmen, wie, wann und in welcher Form Straßen (und ferner andere Bauwerke) zu checken sind. Dabei fällt dann, oft Jahre vor dem eigentlichen Baubeginn, die Entscheidung „wir müssen was tun“.

3. Dann tut etwas!

Dass etwas getan werden muss, wird nun an die zuständigen Stellen gemeldet. In Karlsruhe wäre das beispielsweise das Stadtplanungsamt. Je nachdem, wo die Straße in der „Hierarchie“ steht, könnte das aber auch die Straßenbauverwaltung des Landes Baden-Württemberg oder gar eine Unterabteilung des Bundesverkehrsministeriums sein.

Hier wird nun zunächst mal entschieden, was genau in welchem Umfang zu tun ist:

Insgesamt eine oft monatelange Planungsarbeit, die natürlich auch von den zuständigen Schaltstellen abgesegnet sein will. Und vor allem die Frage nach dem Wer ist dabei sehr langwierig. Denn auch wenn es einem als Pendler vielleicht egal sein mag, ob man für kommunale oder privatwirtschaftliche Straßenwerker abbremsen muss, für die öffentliche Hand ist das eine Kostenfrage. Zwar kann vieles durch öffentliche Stellen geregelt werden – etwa die kommunalen Bauhöfe oder die Autobahnmeistereien – das meiste, vor allem die Großprojekte, muss jedoch durch Privatfirmen erledigt werden, weil nur dort das nötige KnowHow vorhanden ist. Und da kommt jetzt eine große Bremse: Solche Arbeiten müssen europaweit ausgeschrieben werden – zumindest ab einem festgelegten Schwellwert von 5,548 Millionen Euro.  

Und erst, wenn alle Antworten auf die Ausschreibung eingegangen sind und die Frist verstrichen ist, können sich die Planer mit einer der wichtigsten Feinheiten befassen:

 


Für Urlaubsreisende ist es zwar extrem ärgerlich, aber statistisch ist das Verkehrsaufkommen in den Ferien am geringsten, weshalb dann vermehr gebaut wird.

4. Wann wird losgelegt?

Es gibt Großprojekte, die dauern so lange, dass es im Prinzip egal ist, wann man mit den Arbeiten startet. Für die überwiegende Anzahl aller Straßenbauprojekte, die nur maximal wenige Monate dauern, ist das jedoch ein zentrales Problem.

Denn ungleich dessen, was viele glauben, liegt den Planern sehr wohl viel daran, die Öffentlichkeit durch die Baustelle minimal-möglichst einzuschränken. Und da liegt auch der Grund, warum gerade in den Sommerferien viel gebaut wird – dann sind eben tendenziell und messbar weniger Pendler unterwegs, zumindest außerhalb der Haupt-Reisephasen zu Beginn und Ende der Auszeit.

Allerdings, da stimmt auch für unsere Region das, was die Kollegen aus NRW sagen, sehr vieles von den Baustellen bekommt man gar nicht mit, weil es im Dunkel der Nachtruhe gemacht wird – etwa Auf- und Abbau von Absperrmaßnahmen oder bei Autobahnen auch die Haupt-Arbeiten.

Übrigens: Viele Pendler haben das Gefühl, dass zum Jahresende hin mehr auf den Straßen saniert wird. Eine typische Ausrede „im öffentlichen Säckel ist noch Geld übrig, das ausgegeben werden muss“. Stimmt aber nicht, das fühlt sich nur so an, weil dann plötzlich alle, die im Sommer bspw. per Fahr- oder Motorrad pendeln, wieder im Auto sitzen und so Staus vergrößern.

5. Warnen vor allem

Die Eckdaten sind festgelegt, die Maschinen könnten rollen – könnten. Denn zuvor steht da die „ASR A5.2“ – eine technische Arbeitsschutzregel für den Straßenbau. Sie schreibt, vereinfacht ausgedrückt, haarklein vor, wie eine Baustelle abzusichern ist. Sie zeigt sich darin, dass es für jede Form von Straßenbaustelle verpflichtende und normierte Sperr- und Warnmaßnahmen geben muss. Nehmen wir die Absperrgitter, die aufgestellt werden, wenn irgendwo in der Stadt ein Gullideckel neu gesetzt wird. Ihre Abmessungen sind ebenso reguliert wie die Farbverläufe, die Befestigungsart und die Anzahl der Warnleuchten, die obendrauf sitzen.

Und so sitzt bis zu den gelb-temporären Fahrbahnmarkierungen alles genau dort, wo es laut Normen und Gesetzen sitzen muss, wenn die Arbeiten losgehen.

 


Allein das Absperren ist eine Wissenschaft für sich, die sicherstellen soll, dass ausreichender Arbeitsbereich bei maximaler Sicherheit und minimaler Einschränkung vorhanden ist.

6. Arbeiten nach Plan

So wie jedes Haus einen Bauplan hat, hat auch jede Straßenbaustelle ihre genaue Anleitung, an die sich die Ausführenden halten müssen. Und ganz ähnlich wie beim Häuschen sieht es auch bei der Reihenfolge der Arbeiten aus: Da gibt es einzuhaltende Schritte.

Das wiederum erklärt, warum man an vielen markierten, abgesperrten Baustellen auch manchmal niemanden arbeiten sieht. In dem Fall muss höchstwahrscheinlich gerade etwas austrocknen. Oder der Trupp befasst sich (besonders bei sehr langen Baustellen) an weiter entfernter Stelle mit Dingen, die in der Reihenfolge der Wichtigkeit vorher kommen. Übrigens dauert eine Baustelle meistens auch nur so lange, wie sie absolut dauern muss. Die ausführenden Privatfirmen bekommen für Arbeitsende vor dem Zeitplan häufig Boni, umgekehrt gibt es häufig Konventionalstrafen, wenn die vertraglich festgehaltenen Zeiträume überschritten werden.

Und auch wenn einen ein baustellenbedingter Stau natürlich mächtig nerven kann, sollte man künftig mal an all die Zahnrädchen denken, die dafür sorgten, dass diese Arbeiten überhaupt zustande kamen. Und vielleicht auch daran, dass, so nervig die Reparaturen auch sind, kaputte oder gar wegen Einsturzgefahr vollgesperrte Straßen noch viel, viel nerviger wären. Die Baustellen sind so das notwendige Übel, ohne dass keiner von uns von A nach B käme.

 

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