Region (lea/pm) – Der Sommer neigt sich dem Ende zu und so langsam verabschieden sich die kurzen Hosen, Tops und T-Shirts wieder in den Kleiderschrank. Und? Genug Herbst- und Winterklamotten auf Lager? Oder steht erst noch ein Shoppingtrip für neue Klamotten auf der To-Do-Liste? Wir empfehlen: Statt neue Pullover, Schals und Mäntel zu kaufen, kann sich ein Besuch eures Secondhand Ladens der Wahl lohnen. Diese kleine Schatzsuche spart Geld, Ressourcen und macht ganz schön viel Spaß. Die neue welle ruft daher aus: es ist Secondhand-September!
Circa 54 Prozent der Deutschen haben schon einmal Waren secondhand gekauft. Zu dieser Erkenntnis kommt eine brandneue statista-Umfrage aus diesem Sommer. Kleidung aus zweiter Hand ist dabei am beliebtesten. Dicht gefolgt von Büchern, Filmen, Musik und Spielen. Secondhand erlebt seit Jahren einen ungebrochenen Aufwärtstrend. Waren es in Corona vor allem online Secondhand-Plattformen, die sich wachsender Beliebtheit erfreuten, spüren seit einiger Zeit auch die Läden in der Region die wachsende Nachfrage. So auch Anny Erman. Sie betreibt seit sieben Jahren das „Tausendschön“, ein Secondhand-Laden für Frauenkleidung in Neulingen, zwischen Bretten und Pforzheim.
Secondhand-Shoppen, sagt Erman, geht mit zahlreichen Vorteilen einher. „Nachhaltigkeit, ganz klar, das steht ganz oben. Außerdem der Preis, man kauft definitiv günstiger ein. Und dann: der Überraschungseffekt.“ Denn gebrauchte Klamotten kaufen, das sei, als kaufe man ein Überraschungsei. „Man geht in den Laden und lässt sich einfach inspirieren. Planen, dass man genau diese eine schwarze Hose kauft, kann man nicht. Vielleicht gefällt einem die gelbe an der Stange plötzlich viel besser und vielleicht gibt es an dem Tag auch gar keine schwarzen Hosen“, erklärt Erman schmunzelnd.
Und tatsächlich: der Kauf von Secondhand-Mode macht statistisch bewiesen glücklich. Das hat eine durch die gemeinnützige Organisation „Oxfam“ in Auftrag gegebene Umfrage ergeben. Hier gaben 74 Prozent der Befragten an, dass Secondhand-Shoppen ihnen Spaß macht. Das liegt unter anderem daran, dass man tolle Einzelstücke (73 Prozent der Befragten) finden kann und es, aufgrund der Nachhaltigkeit, ein gutes Gewissen macht (71 Prozent der Befragten). Mehr als die Hälfte der 18- bis 34-Jährigen gab zudem an, dass das Kaufen von Secondhand-Teilen sie glücklicher macht als der Kauf von Neuware.
Aber nicht nur das Kaufen, sondern auch das Verkaufen der eigenen Lieblingsteile mache Spaß, findet Anny Erman. „Die Leute bringen mir ihre Ware, um damit Geld zu verdienen. Das ist für sie wohl der größte schöne Effekt. Und außerdem freuen sie sich, wenn ihre ehemaligen Lieblingsstücke eine neue Liebhaberin finden können.“ Aus diesem Kreislauf abgeleitet stamme der Name ihres Lädchens, sagt Erman: „Tausendschön“, weil die Sachen tausendmal schön gefunden werden.
Secondhand kaufen, weil es nachhaltig ist. Diesen Grund gaben rund 74 Prozent der Befragten der Oxfam-Studie als Hauptmotiv an. Denn der kleine Gang zum nächsten Secondhand-Laden hat große Auswirkungen: Das Herstellen einer einzigen neuen Jeanshose benötigt ganze 7.000 Liter Wasser. Und in den meisten Fällen ist die Hose dann, bis sie im heimischen Kleiderschrank landet, einmal um die ganze Welt gereist. Wer Kleidung aus zweiter Hand kauft, sorgt dafür, dass bereits Vorhandenes länger im Verwertungskreislauf bleibt. Das schützt Umwelt und Klima, denn wichtige Ressourcen wie Wasser werden geschont und Co2-Emmissionen eingespart.
verstaubt, muffig und oldschool?
Trotz der vielen positiven Aspekte spürt Erman immer wieder die Vorurteile, mit denen Neukundinnen ihren Laden zum ersten Mal betreten. „Ausgetragen, ausgewaschen, miefig und stinkend – das sind so die Gedanken, mit denen viele hierherkommen. Oft kommt dann der Satz ‚Oh hey, hier stinkt es ja gar nicht!‘“, lacht die Ladenbesitzerin. Oft seien es Jugendliche, die ihre Mutter mitbringen würden. „Die Medien haben ihr Soll dazu beigetragen und die Jugend fängt an umzudenken“, freut sich Erman. Als Mutter mache sie sich viele Gedanken, wie sie achtsam mit der Welt umgehen könne. „Man braucht doch nicht zehn weiße Shirts im Schrank, oder zehn Jogginghosen. Es reicht doch eine, und wenn die durch ist, kann die nächste kommen.“
Auch Klamotten, die keine neue Besitzerin finden können, landen bei Erman noch lange nicht in der Mülltonne. „Bei mir läuft das so: Wer seine Ware bei mir abgibt, darf dabei entscheiden, ob nicht vermittelte Teile nach Monaten gespendet werden dürfen, oder ob sie wieder zurück an die alte Besitzerin gehen.“ Teile, die sie spendet, verteilt sie regional. Vieles geht an die „Straßenengel Pforzheim“ oder an die „Helping Hands Pforzheim“. Die beiden gemeinnützigen Organisationen erhalten die Kleidung kostenlos. „Mir ist wichtig, dass ich dabei dann kein Geld mehr produziere. Aber die zwei Organisationen veranstalten damit auch Flohmärkte, um mit dem Geld Zelte, Isomatten und Essen für Obdachlose kaufen zu können“, so Erman.
Das Außergewöhnlichste, das Erman je in ihrem Laden entdeckt hat? „Von der Louis Vuitton Tasche über Prada Schuhe, auch mal eine Gucci Tasche, da war schon alles dabei“, erinnert sie sich und lacht: „Secondhand-Shoppen ist eben auch Schatzsuche!“ Der Secondhand-September kann losgehen.