Stuttgart (dpa/tk) – Neue Beschränkungen für Ungeimpfte und Testpflichten für Geimpfte sollen die vierte Corona-Welle im Südwesten brechen. Aber selbst Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält die neuen Maßnahmen nur für begrenzt wirksam. Der einzige Ausweg sei eine Impfpflicht – doch es gibt Widerstand.
Wegen der stark steigenden Corona-Zahlen gilt in Baden-Württemberg voraussichtlich schon von Mittwoch an bei allen Veranstaltungen in Kultur, Freizeit und Sport die Regel 2G plus. Wie die Deutsche Presse-Agentur in Stuttgart erfuhr, hat die Regierung aus Grünen und CDU ihren Katalog für schärfere Maßnahmen in der neuen Alarmstufe II nochmals erweitert. Das heißt, dass zu allen Veranstaltungen nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt haben, die zusätzlich einen negativen Test vorweisen können. Die Regel gilt auch für Weihnachtsmärkte.
Die Regierung will heute die neue Corona-Verordnung beschließen, die dann morgen in Kraft treten soll. Demnach soll die Alarmstufe II gelten, wenn auf den Intensivstationen an zwei Tagen hintereinander mehr als 450 Covid-19-Patienten liegen. Am Montag erreichte sie schon 489. Bei der Alarmstufe II soll es zudem in Hotspots nächtliche Ausgangsbeschränkungen für Ungeimpfte geben, wenn in ihrem Kreis die Sieben-Tage-Inzidenz über 500 liegt. In der neuen Verordnung werden Veranstaltungen wie Theater-, Opern- und Konzertaufführungen, Filmvorführungen, Stadt- und Volksfeste, Stadtführungen und Informations-, Betriebs-, Vereins- sowie Sportveranstaltungen genannt, die unter 2G-plus-Bedingungen abgehalten werden müssen.
Das Land will auch die Personenzahl bei größeren Veranstaltungen begrenzen. Künftig soll es in den Alarmstufen I und II wieder eine Obergrenze von 25 000 Besucherinnen und Besuchern geben. Zudem soll die Kapazität beschränkt werden, das heißt zum Beispiel, dass ein Stadion nur zur Hälfte gefüllt sein darf. Das Land verwarf aber dem Vernehmen nach den Plan, die Kapazität in der Alarmstufe II auf ein Viertel der Kapazität zu reduzieren.
Trotz aller Gegenmaßnahmen geht Regierungschef Winfried Kretschmann davon aus, dass die Pandemie dauerhaft nur mit einer allgemeinen Impfpflicht in den Griff zu bekommen ist. In einem Gastbeitrag für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (Dienstag) schrieb der Grünen-Politiker gemeinsam mit Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU): «Eine Impfpflicht ist kein Verstoß gegen die Freiheitsrechte. Vielmehr ist sie die Voraussetzung dafür, dass wir unsere Freiheit zurückgewinnen.» Kretschmann und Söder sind der Meinung, dass die Gesellschaft nicht daran zerbrechen werde, wenn der Staat die Dinge in die Hand nimmt und eine Impfpflicht einführt. «Aber sie droht dann zu zerbrechen, wenn er die Dinge treiben ließe.»
FDP-Landeschef und Bundestags-Fraktionsvize Michael Theurer sagte dagegen: «Eine allgemeine Impfpflicht ist ein massiver Eingriff in diverse Grundrechte. Wir Freien Demokraten halten sie daher für verfassungswidrig.» Söder habe noch vor zwei Wochen gesagt, dass eine Impfpflicht zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft führen würde, auch Kretschmann habe sie noch vor wenigen Monaten für einen zu großen Eingriff in die Grundrechte gehalten. Aus Sicht von AfD-Fraktionschef Bernd Gögel würde eine Impfpflicht gegen Artikel 2 des Grundgesetzes verstoßen. Kretschmann bedenke nicht, «dass wir nach einem Ende der Pandemie wieder zusammenleben müssen in diesem Land».