Stuttgart (dpa/svs) – Sie sind die Amateure auf der Richterbank, der personifizierte «Blick über den Tellerrand» im Gericht. Schöffinnen und Schöffen kennen sich meistens nicht besonders gut aus mit Gesetzen und Paragrafen, aber sie können auf ihre Lebenserfahrung vertrauen, wenn es darum geht, ein Urteil zu fällen. Tausende tun das als ehrenamtliche Laienrichter Jahr für Jahr in Baden-Württemberg. Nun suchen Land und Kommunen wieder neue Schöffen, die in den kommenden fünf Jahren an den Gerichten ein Wörtchen mitzureden haben werden. Wenn ihr Schöffe werden möchtet, müsst ihr euch zuerst mal an das zuständige Rathaus eurer Gemeinde oder Stadt wenden und dort eure Bewerbung abgeben.
Schöffen wohnen einem Prozess bei und können im Gericht nicht nur über schuldig oder nicht schuldig mitentscheiden, sie haben auch eine eigene Stimme beim Strafmaß – gemeinsam und gleichberechtigt mit ausgebildeten hauptamtlichen Richterinnen und Richtern.
Schöffin oder Schöffe wird man ehrenamtlich und meist freiwillig. Das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) schreibt den Verfahrensablauf detailliert vor. Bewerben können sich demnach deutsche Staatsangehörige, sie müssen mindestens 25 Jahre und dürfen höchstens 69 Jahre alt sein. Auf Grundlage der eingegangenen Bewerbungen erstellen die jeweiligen Kommunen dann ihre Vorschlagslisten für potenzielle Laienrichter. Anschließend legen sie die erstellten Listen den Amtsgerichten zur Wahl vor.
⦁ Deutsche Staatsangehörigkeit
⦁ Über 25 und nicht mehr als 70 Jahre alt
⦁ Wohnhaft in der jeweiligen Gemeinde
⦁ Keine gesundheitlichen Gründe, die die Ausübung des Amtes behindern
⦁ Deutsche Sprachkenntnisse
⦁ Kein Vermögensverfall
⦁ Keine Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten
⦁ Kein laufendes Ermittlungsverfahren, das den Ausschluss aus dem Amt nach sich ziehen könnte
Das kann vor allem in den größeren Städten passieren, weil die Vorschlagslisten von der Einwohnerzahl abhängen, sagt Claudia Kitzig von der Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen. Grundsätzlich sei das Interesse am Schöffenamt aber groß und zuletzt gestiegen. An ihrer ersten Online-Infoveranstaltung hätten 444 Menschen teilgenommen. Auch Landesjustizministerin Marion Gentges (CDU) ist überzeugt: «Vielleicht kommt Baden-Württemberg auch zugute, dass im Südwesten das Ehrenamt sehr stark verankert ist.» Gibt es mal nicht genug Kandidierende, können Gemeinden nach dem Zufallsprinzip (etwa über die Melderegister) auf geeignete Personen zugehen. Individuelle Ausschlussgründe sind aber zu berücksichtigen. Gibt es keine Hindernisse, ist jeder verpflichtet, das Amt anzunehmen.
Nein, in Baden-Württemberg sind solche Zufallsverpflichtungen nach Angaben Kitzigs die Ausnahme. Die meisten Kommunen fänden genügend Bewerber und hätten auch kein Interesse an Laienrichtern, die ihr Ehrenamt mit Widerwillen ausführten.
Der Bedarf ist hoch: In Baden-Württemberg müssen bei der aktuellen Schöffenwahl etwa 7000 vakante Stellen besetzt werden. Zwischen 2019 und dem kommenden Jahrgang sind laut Justizministerium insgesamt rund 3800 Hauptschöffen bei Gerichten tätig sowie rund 3000 Ersatzschöffen, die einspringen, wenn Hauptschöffen verhindert sind.
Richter sind bei ihren Entscheidungen unabhängig und nur an geltende Gesetze gebunden. Außenstehende nehmen Gerichte dabei seit jeher als geschlossene und wenig durchsichtige Institutionen wahr. Das Schöffenamt soll daher dazu dienen, Ansehen und Bürgernähe der Rechtsprechung zu fördern. Gleichzeitig ermöglicht es, andere als rein juristische Perspektiven der hauptamtlichen Richter in den Urteilsspruch einfließen zu lassen. «Schöffen bringen spezielle Sachkunde, Lebens- und Berufserfahrung ein, so dass auch nichtjuristische Wertungen und Überlegungen in Gerichtsverfahren miteinfließen», sagte Gentges.
Schöffen müssen für die Zeit im Gericht von ihrem Arbeitgeber freigestellt werden. Eine Kündigung wegen der Übernahme oder Ausübung des Ehrenamts ist unzulässig. Arbeitgeber können allerdings die Lohnfortzahlungspflicht bei vorübergehender Verhinderung wirksam im Tarif- oder Arbeitsvertrag ausschließen. Schöffen steht dann eine Entschädigung für Verdienstausfall zu. Hinzu kommen gegebenenfalls weitere Entschädigungen etwa für Fahrtkosten, Aufwand und Aufwendungen.