Region (dpa/lk) – Nach den Ausschreitungen bei Protesten von Gegnern der Corona-Maßnahmen in Reutlingen und sonstigen teils unangemeldeten Versammlungen im Land sind die Polizeien in der Region in Hab-Acht-Stellung. Doch nicht alle Polizeipräsidien in Baden-Württemberg haben Kapazitäten, das Netz nach Aufrufen für Versammlungen zu durchforsten, ergab eine dpa-Umfrage.
Von Mannheim über Reutlingen bis nach Villingen-Schwenningen gehen Menschen aus Protest gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straßen. Nicht alle sind angemeldet – und genau das ist das Problem. Ein Sprecher der Stuttgarter Polizei sagte lediglich, man beobachte die Sozialen Medien. Und manchmal habe man auch Glück, wenn eine Streife vorbeifahre. „Die Kollegen sind sensibel.“ Das Mannheimer Polizeipräsidium beobachtet ebenfalls verstärkt die sozialen Medien und richtet danach seine Planungen aus. „Uns ist sehr bewusst, dass über Social Media solche Veranstaltungen wie am Montag beworben werden und wir schauen in die Kanäle, die auch für jeden sichtbar sind“, erläuterte Patrick Knapp, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit. Laut Innenminister Thomas Strobl werden die Proteste immer lauter, immer heftiger, immer brutaler. „Eine kleine Minderheit ist in einer regelrechten Radikalisierungsspirale.“
Beim Einsatz am vergangenen Montag bei einer Aktion von Gegnern der Corona-Beschränkungen mit etwa 2.000 Teilnehmern wurden die Personalien von 121 Menschen aufgenommen, von denen jeweils 50 Prozent aus Mannheim und aus der näheren Umgebung kamen. 60 Prozent seien über 40 Jahre alt gewesen. Ihnen drohen nun eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und Bußgelder, wie Knapp erläuterte. Die Teilnehmer seien in Grüppchen durch die Stadt gezogen, um den Eindruck zu erzeugen, dass es sich nicht um eine Versammlung handle, die bei der Stadt hätte angemeldet werden müssen. Es seien keine Banner, keine Poster zu sehen gewesen. Auch eine Kundgebung habe es nicht gegeben. Lediglich der Slogan „Frieden, Freiheit – keine Diktatur“ sei skandiert worden. Bei dem Einsatz seien sechs Beamte verletzt worden.
Im Bereich des Polizeipräsidiums Offenburg werden die meisten Versammlungen nach Auskunft der Polizei angemeldet. Am Montagabend habe es aber eine unangemeldete in Achern gegeben. Aus den Polizeipräsidien Karlsruhe und Pforzheim heißt es, dass die geheim organisierten Veranstaltungen eher selten bis überhaupt keine Rolle spielten. Wenn die Beamten Hinweise bekämen, dass sich etwa bei Telegram etwas tue, schauten sie genauer hin. „Komplett kann man das ja gar nicht überwachen“, sagte eine Polizeisprecherin aus Karlsruhe. Nach Auskunft eines Sprechers aus Pforzheim sind die Teilnehmerzahlen zuletzt deutlich gestiegen. So seien zu den regelmäßigen Demos am Montagabend wochenlang nur rund zwei Dutzend Menschen gekommen, am vergangenen Montag sei es eine dreistellige Zahl gewesen. Er sprach von „mindestens einer Vervierfachung“.
Die Polizei in Villingen-Schwenningen prüft, ob der nicht angemeldete Protest von Gegnern der Corona-Maßnahmen vom vergangenen Montag gegen das Versammlungsgesetz verstoßen hat. Zwischen 150 und 200 Menschen hatten sich nach Auskunft der Polizei bei dem als Spaziergang bezeichneten Treffen zusammengefunden. Der Protest verlief friedlich. Laut Polizei hatten sich die Menschen über Social Media verabredet. Die Entwicklungen der letzten Tage werden laut Strobl Konsequenzen haben. „Für Versammlungen werden Auflagen erteilt, um Gewaltexzesse frühzeitig unter Kontrolle zu kriegen. Die Kräfteverfügbarkeit der Polizei wird anhand der Gefahrenlage ausgerichtet und erhöht.“ Menschen, die das hohe Gut der Versammlungsfreiheit missbrauchten und aus großen Menschenansammlungen heraus Übergriffe verübten, dürfe man nicht walten lassen, sagte Strobl im Landtag. Auch warnte Strobl eindringlich vor der Planung von Terroranschlägen über das Netzwerk Telegram.
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