Heidelberg (dpa/lk) – Eine Studentin stirbt, drei Kommilitonen werden verletzt. Der Amoklauf an der Heidelberger Universität erschüttert nicht nur die Hochschule und die Stadt. Doch viele Fragen sind noch offen. Darum ist eine Ermittlungsgruppe „Botanik“ eingerichtet worden. Im Fokus stehen vor allem die Herkunft der Waffen und das Motiv des Attentäters. Ursprünglich soll der junge Mann aus Berlin stammen.
Der Amokläufer an der Heidelberger Universität stammt aus Berlin. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag aus Polizeikreisen. Nach Medienberichten soll der Mann im Stadtteil Wilmersdorf aufgewachsen sein. Zunächst hatte der „Mannheimer Morgen“ darüber berichtet.
Die Polizei will mit einer Ermittlungsgruppe „Botanik“ die Hintergründe des Amoklaufs an der Heidelberger Universität aufklären. Man habe eine Ermittlungsgruppe namens „Botanik“ mit 32 Personen gegründet, gab der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl am Dienstag in Stuttgart bekannt. Er sei sich sicher, dass es gelingen werde, rasch Licht ins Dunkle zu bringen. Der Name ist darauf zurückzuführen, dass das betroffene Uni-Gebäude an den botanischen Garten grenzt.
Die Ermittler nehmen vor allem das Motiv des Attentäters und die Herkunft seiner Waffen in den Blick. Es werde auch mit den Angehörigen des jungen Mannes gesprochen, der am Montag in einem Hörsaal mehrfach auf Studierende geschossen hatte. Der Leiter der Staatsanwaltschaft Heidelberg, Andreas Herrgen, sagte, über ein Motiv könne bislang nur spekuliert werden. Der Täter sei nicht vorbestraft gewesen. Die Ermittler müssten auch prüfen, ob sich andere strafrechtlich etwas haben zu Schulden kommen lassen.
Der mutmaßliche Täter hatte kurz vor der Tat seinem Vater eine WhatsApp-Nachricht geschickt. Der Student hat nach Polizeiangaben geschrieben, „dass Leute jetzt bestraft werden müssen“. Die Eltern des Opfers hätten ein großes Leid, aber auch die des Täters. Der Mannheimer Polizeipräsident Siegfried Kollmar hatte am Montag angekündigt: „Wir werden sein Umfeld jetzt durchleuchten in den nächsten Tagen, mit Hochdruck.“
Auch die Frage, wie der Biologie-Student an die beiden Waffen kam, von denen er eine für den Amoklauf nutzte, ist noch unbeantwortet. Es ist nur bekannt, dass der 18-Jährige die Gewehre vor wenigen Tagen persönlich im Ausland gekauft haben soll. Der Mann hatte neben den Kaufbelegen für zwei Waffen mehr als 100 Schuss Munition in einem Rucksack bei sich. Er hätte also nachladen und weiter schießen können, machte Polizeipräsident Kollmar deutlich.
Die Ermittler gehen nach bisherigen Erkenntnissen davon aus, dass der Deutsche, der in Mannheim wohnte, erst in dem Hörsaal des Zentrums für biologische Grundlagenforschung, in dem rund 30 Studenten waren, mehrmals schoss und sich später vor dem Gebäude selbst richtete. Eine 19- und 20-jährige Frau sowie ein 20-jähriger Mann wurden durch die Schüsse leicht verletzt. Eine 23-Jährige Studentin starb am Montagnachmittag an den Folgen eines Kopfschusses.
Die drei bei dem Amoklauf in der Heidelberger Universität verletzten Studierenden sind nach ambulanter Behandlung wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden. Dies teilte die Polizei am Mittwoch mit. „Sie befinden sich auf dem Weg der Besserung.“ Nähere Angaben wurden nicht gemacht.
Sowohl die Stadt als auch die Uni selbst planen Trauerfeiern. Die Kirchen und Opferschutzverbände wie der Weiße Ring haben Hilfen angeboten, an die sich die Verletzten, Angehörige und Zeugen der Tat wenden können. Dabei geht es auch um finanzielle Unterstützung. Der Opferbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung, Alexander Schwarz, äußerte seine tiefe Erschütterung und Anteilnahme. Landesinnenminister Thomas Strobl warb dafür, die angebotene Hilfe auch anzunehmen. Studierende, die in dem Tutorium saßen, müssten das schreckliche Ereignis verarbeiten. Er hoffe sehr, dass sie „rasch an Leib und Seele genesen“, sagte der CDU-Politiker.
Gefühlt handelt es sich um einen Angriff auf die Offenheit der Hochschulen und die akademische Tradition. Universitäten müssten aber angstfreie Räume bleiben können, sagte Strobl. Auch die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer betonte, die Attacke habe sich an einem Ort ereignet, der für Offenheit und Begegnung stehe und Sicherheit bieten solle. Als solche Orte müssten Hochschulen geschützt werden. Die Betroffenen müssten nun „klarkommen mit etwas, mit dem schwer klarzukommen ist“.
Die Gewerkschaft der Polizei lobte das schnelle Eintreffen der Einsatzkräfte. Seit dem Amoklauf von Winnenden im Jahr 2009 bilde die Polizei Baden-Württemberg ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter speziell für solche Ereignisse aus, erläuterte der stellvertretende Landesvorsitzende von Baden-Württemberg, Thomas Mohr. Auch spezielle Amokausrüstung sei angeschafft worden. Das habe sich nun bewährt, sagte Mohr. „Schlimmeres konnte dadurch verhindert werden.“
Die Deutsche Polizeigewerkschaft empfiehlt von der Tat unmittelbar Betroffenen, sich psychologisch betreuen zu lassen. „Die Studenten im Hörsaal haben Todesangst ausgestanden, sie wussten ja nicht, wie lange der Täter noch schießt“, sagte Landeschef Ralf Kusterer der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. Er fügte hinzu: „Das werden sie ihr Leben lang nicht vergessen.“ Das Erlebte könne zu posttraumatischen Belastungsstörungen führen, wenn die Betroffenen nicht behandelt würden.
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