Politische Eskapaden: Die Top 10 der Pleiten, Pech & Pannen in der internationalen Politik

25. April 2017 , 09:37 Uhr

So wie Politiker nur Menschen sind, ist auch Politik nie fehlerfrei. Die Verfassung schützen, das Wohl des Volkes mehren – so oder ähnlich wird praktisch jeder Politiker vereidigt. Dass Politiker von diesem Eid manchmal eine eigene Auffassung haben, zeigt die folgende Sammlung. Sie widmet sich den berühmten und weniger berühmten Pleiten, Pech und Pannen, die nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch anderen Ländern immer wieder vorkamen.

Fall 1: Einbrecher in der Parteizentrale

Ob das jüngste „Envelope-Gate“, manchmal auch bekannt als Oscar-Panne, Nippelgates oder jeder andere Skandal, der auf –gate endet – sie alle gehen, zumindest namentlich, auf einen Vorfall zurück: Watergate.

Worum ging es?

1972 war der US-Präsidentschafts-Wahlkampf in vollem Gange. Die Demokraten wollten, dass ihr Kandidat, George McGovern, den seit vier Jahren amtierenden Richard Nixon ablöste. Während dieser heißen Phase drangen in der Nacht des 17. Juni ´72 Einbrecher in die demokratische Wahlkampfzentrale im Watergate-Gebäudekomplex in Washington-DC ein und installierten Wanzen. Ein Wachmann entdeckte eines der Abhörgeräte und rief die Polizei – die im Nachgang fünf Männer festnahm.

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Wer war daran beteiligt?

Schon für sich hatte die Aktion gewaltige Sprengkraft. Dann kam aber heraus, dass einer der Festgenommenen, James McCord, in die Arbeiten des Komitees zur Widerwahl des Präsidenten involviert war.

Bei der Anklageverlesung fiel das zwei Journalisten, Bob Woodward und Carl Bernstein auf – denn McCord behauptete vor dem Richter, er gehöre zur CIA. Die Journalisten begannen mit Hilfe eines anonymen Informanten namens Deepthroat, der sich erst 2005 outete, zu forschen und deckten auf, dass die Bespitzelung direkt von Nixon befohlen worden sein musste.

Was waren die Folgen?

Nachdem die Sache sich nicht mehr verdecken ließ, kam es gegen Nixon zu einem Amtsenthebungsverfahren in dessen Verlauf er zurücktrat und durch seinen Vize, Gerald Ford, ersetzt wurde. Für einen weiteren Skandal im damals zerrissenen Amerika sorgte die Begnadigung, die dieser seinem Vorgänger zuteilwerden ließ.

Fall 2: Treffen sich der BND und ein Koffer Plutonium…

Der Bundesnachrichtendienst ist keine Größe in der Geheimdienst-Community, zeitweise vergessen gar die deutschen Bürger mal, dass es ihn gibt. Liegt das am größten „Bock“, den die Behörde jemals schoss?

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Worum ging es?

Nachdem die Sowjetunion zerfallen war, bestand im Westen große Furcht, es könne mit ungesicherten Kernmaterialien der Ex-Sowjetrepubliken ein unkontrollierbarer Handel entstehen, der Atomwaffen in unbefugte Hände legte. Um das nachzuweisen und die Gefahr präsent zu machen, initiierte der BND 1994 die Operation Hades: Drei kolumbianisch/spanische Strohmänner erwarben in Moskau 363,4 Gramm Plutonium sowie eine ähnliche Menge Lithium-6, welches für Wasserstoffbomben benötigt wird – und transportierten es im Handgepäck ihres Lufthansa-Fluges zurück nach München, wo sie prompt verhaftet wurden.

Wer war daran beteiligt?

Die Strohmänner, Justiniano Torres Benitez, Julio Eguia und Javier Bengoechea wurden wegen Kriegswaffenschmuggel angeklagt. Dann aber fand der SPIEGEL heraus, dass der BND hinter der ganzen Sache steckte. Ein V-Mann berichtete obendrein, dass die Aktion von vornherein möglichst öffentlichkeitswirksam auffliegen sollte, um so unter anderem die Bundestagswahlen zu beeinflussen – freilich ohne dass eine Verbindung zum BND entstand.

Was waren die Folgen?

Obwohl sogar der damalige BND-Chef offenbar von der Sache wusste, hatte die Affäre wenige Folgen. Der eingesetzte Untersuchungsausschuss kam drei Jahre später zum Schluss, dass der BND die Sache gar nicht einfädelt habe. Lediglich dass das Plutonium nicht aus einem westlichen Reaktor stammte, konnte nachgewiesen werden.

Fall 3: Skandal im Oval Office

"I did not have sexual relations with that woman“ – selten hatte ein solcher Satz derartige politische Sprengkraft. Dennoch wäre dieser fast ein Grund dafür geworden, dass ein US-Präsident sein Amt verloren hätte.

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Worum ging es?

1995 war Bill Clinton US-Präsident. Zu dieser Zeit wurde im Weißen Haus eine Praktikantin namens Monica Lewinskyeingestellt. Clinton und Lewinsky kamen sich dabei recht nahe. Das war an sich nicht illegal und wäre auch womöglich geheim geblieben, hätte Lewinsky nicht einer Freundin davon erzählt, die das Gespräch aufzeichnete und an die Presse weitergab.  

Wer war daran beteiligt?

Kritisch wurde es, als US-Chefermittler Kenneth Starr hellhörig wurde. Denn Bill Clinton hatte einen Fehler gemacht: Während einer Pressekonferenz, die die Wogen glätten sollte, hatte er höchst öffentlichkeitswirksam behauptet, niemals Sex mit Monica gehabt zu haben – eine glatte Lüge, der der Präsident überführt werden konnte. Dann wiederholte der Präsident seine Lüge unter Eid. Was bislang ein Boulevard-Aufreger gewesen war, wurde somit justiziabel.

Was waren die Folgen?

Die Falschaussage zog eines der seltenen Amtsenthebungsverfahren nach sich – das Clinton allerdings mit knapper Mehrheit überstand und somit noch bis 2000 weiterregieren konnte. Allerdings sah das mehrheitlich konservative Amerika in dem Demokraten vor allem einen lügenden Ehebrecher – ein Ruf, der ihm bis heute nachhängt.

Fall 4: Von Krümmungswinkeln und Schweinespielzeug

In Brüssel werden täglich viele Regularien verabschiedet. In seltenen Fällen geht dabei dann jedoch die „Regulierungswut“ mit der EU durch, wie der folgende Fall zeigt.

Worum ging es?

Konkret geht es um die EU-Verordnung 2257/94 zum Thema Bananen. Aus unbekannten Gründen entstand irgendwann die Ansicht, dass darin selbst der erlaubte Krümmungswinkel der Südfrüchte vorgeschrieben sei – dabei erwähnt der Text diesen mit keinem Wort.

Eine andere Richtlinie ist allerdings wirklich etwas verwirrend – denn 2001/93 besagt, dass Schweine Zugang zu Dingen haben müssen, die sie bewegen können. Der Volksmund machte daraus rasch „Schweinespielzeug“ und ein weiterer Aufreger war geboren.

Wer war daran beteiligt?

Hauptakteure in diesen und ähnlich gelagerten Fällen sind die Europäische Union sowie deren Gegner. Zwar geht es immer nach dem gleichen Schema – die EU beschließt etwas und die Gegner deuten dies als Beweis für überbordende Bürokratie – aber ganz unschuldig ist Brüssel nicht. Denn oftmals sind die Gesetzestexte sehr verworren und gehen sehr stark ins Detail. Das soll eigentlich für unzweifelhafte Verhältnisse sorgen, aber es bietet eben auch breite Kritikmöglichkeit

Was waren die Folgen?

2008 erkannte Brüssel selbst, dass in seinen Reihen hin und wieder Überflüssiges produziert wird und kündigte einen scharfen Kampf dagegen an. Seitdem sind zwar die Kritiker nicht mundtot, allzu oft können sie sich aber nicht über zu detaillierte Regeln beschweren.

Fall 5: Schleswig-Holstein – Spielerparadies

Der Vorteil des Internets ist es, von überall auf alles zugreifen zu können – darin liegt aber auch ein Problem für die Regulierung des gleichen. Einer der Gründe, warum illegales Online-Spiel weit verbreitet ist, trotz eigentlicher Bestimmungen der Bundes- und Länderorganen der Bundesrepublik.

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Worum ging es?

 

In Deutschland liegt das Glücksspielmonopol beim Staat und teilweise auch bei der EU. Das soll kriminelle Geschäfte eindämmen und sichert nebenbei der Staatskasse durch amtlich erlaubte Casinos auch noch Zusatzeinnahmen – 2015 beispielsweise 1,7 Milliarden Euro. Offline funktioniert das recht gut, es gibt praktisch keine unlizenzierten Spielbetriebe. Beim Online-Glücksspiel jedoch lassen sich die Regeln durch die Gesetzgeber nicht so einfach durchsetzen – das produziert ein Chaos an Gesetzen und Auflagen.

Wer war daran beteiligt?

Dieses Chaos kommt vor allem dadurch zustande, dass Bund und Länder hinsichtlich der Rechtsprechung bisher auf keinen gemeinsamen Nenner kommen konnten und sowohl die EU als auch mehrere Glücksspielanbieter mitmischen (fett markiert die Teilnehmer):

·         2008 nahm sich der Bund erstmals des Online-Spielens an und verbot es im Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland rundweg.

·         2010 kippte der EU-Gerichtshof diesen Staatsvertrag wegen Verstoßes gegen die Dienstleistungsfreiheit.

·         2011 lizensierte Schleswig-Holstein 23 Online-Glücksspielanbieter

·         2012 änderte der Bund den Staatsvertrag, der weiterhin Online-Glücksspiel verbietet, gab aber Lizenzen an 20 Anbieter  – andere Anbieter klagten dagegen. Mit der Folge, dass momentan kein Unternehmen endgültig lizensiert ist.

·         2013 akzeptierte Schleswig-Holstein den Vertrag, behielt aber seine vergebenen Lizenzen bei

·         Seitdem geht der Streit vor dem EU-Gerichtshof weiter, die Kontrahenten sind die Anbieter sowie der Bund und die Länder.

Was waren die Folgen?

Die Mühlen der Bürokratie, insbesondere in Brüssel, laufen sehr langsam. Echte Folgen gibt es noch nicht, wohl aber eine wahrlich verworrene Pattsituation. Bewohner Schleswig-Holsteins dürfen auf den Internetseiten der 23 in 2011 vom Land lizensierten Anbieter legal spielen – in allen anderen Bundesländern gibt es keine lizensierten Anbieter, wer dort online spielt, steht mit einem Bein vor dem Richter.

Fall 6: Der fliegende Teppich im Flugzeug

Der Ex-FDP-Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel war einst vor allem dafür bekannt, dass er nie ohne Bundeswehr-Feldmütze in die zu entwickelnden Länder flog. Im vorletzten Jahr seiner Amtszeit, 2012, zog er sich dann aber den, durch die Medien vielleicht etwas aufgebauschten, Zorn der Öffentlichkeit zu.

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Worum ging es?

Dirk Niebel war Zeit seines Amtes kontrovers. Kritiker warfen ihm mehrfach vor, weniger im Sinne der Entwicklungshilfe zu agieren, sondern vor allem Interessen deutscher Unternehmen im Auge zu haben. Schaden konnten ihm diese Vorwürfe nicht. Dann aber kaufte Niebel 2012 in Afghanistan einen Teppich.

Wer war daran beteiligt?

Dieser Wandbehang war sprichwörtlich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Denn zum einen ließ der Entwicklungshilfeminister diesen im Dienstflugzeug des BND-Chefs nach Deutschland transportieren – diskutabel aber nicht justiziabel.

Zum anderen fand der SPIEGEL heraus, dass Niebel den Teppich nicht beim Zoll deklariert habe – das wäre aber seine Pflicht gewesen, um die darauf stehenden Zollgebühren sowie Mehrwertsteuerzu entrichten.

Was waren die Folgen?

Weil Presse und Opposition das Thema nicht ruhen ließen, entrichtete Niebel die Mehrwertsteuer nachträglich. Allerdings hatte er da bereits die Staatsanwaltschaft im Nacken, die jedoch letztendlich befand, dass die Aktion keine strafrechtliche Relevanz besaß. Dennoch zog der Minister sich noch einen Rüffel der Bundeskanzlerin zu, bevor die Affäre ad Acta gelegt wurde.

Fall 7: Bunga Bunga auf Italienisch

Der viermalige Ministerpräsident Italiens, Silvio Berlusconi, ist nicht nur einer der reichsten Italiener, sondern ein Bilderbuchbeispiel dafür, wie man von Skandal zu Skandal stolpern und trotzdem sein Amt behalten kann.

Worum ging es?

2010 verfasste Berlusconis noch-Ehefrau einen Brief an die Medien. Darin schilderte sie, wie ihr Mann Sexorgien, von ihm als „Bunga-Bunga-Party“ bezeichnet, gefeiert hätte, bei denen es vor Prostituierten und Ausschweifungen nur so gewimmelt hätte.

Ein gefundenes Fressen für den Boulevard. Doch je mehr die Öffentlichkeit nach weiteren „Bunga-Details“ gierte, desto mehr offenbarte sich, dass man sich bei diesem Thema in einem weitverzweigten Kaninchenbau befand – dessen reine Existenz von Berlusconi selbst immer wieder abgestritten und als bloße Abendessen deklariert wurde.

Wer war daran beteiligt?

Dann aber griff die Mailänder Polizei eine junge Frau namens Karima el-Mahroug auf, die des Diebstahls bezichtigt wurde. Bei der Vernehmung kam heraus, dass die Dame erst 17 war und keine Aufenthaltserlaubnis besaß. Bis hierhin noch keine Verbindung zu Berlusconi – bis er sich selbst telefonisch einschaltete, um Milde bat und anbot, sie bei Vertrauten unterbringen zu lassen.

Die Mailänder Polizei zählte eins und eins zusammen und befragte das Mädchen zu Berlusconi. Sie hatte unter dem Pseudonym Ruby Rubacouri (Rubinrote Herzensbrecherin) als Callgirl gearbeitet und war als solches im Februar 2010, frisch 17-jährig, zu einer dieser „Bunga-Bunga-Parties“ gestoßen.

Zwar bestritt sie, jemals Sex mit Berlusconi gehabt zu haben, durch weitere Zeugenbefragungen kam jedoch heraus, dass dies wohl mehr als ein dutzendmal der Fall gewesen sei – neben lesbischen „Shows“ mit anderen Prostituierten, um die Partygäste zu erregen.  

Was waren die Folgen?

Aus der „Bunga-Affäre“ war binnen weniger Wochen die Ruby-Affäre geworden. Die Staatsanwaltschaft ließ Berlusconis Immunität aufheben und begann einen Prozess. Die Anklage lautete Amtsmissbrauch und Förderung der Prostitution Minderjähriger. Berlusconi stellte sich ins Licht eines Förderers, der aus reiner Menschenliebe dem Mädchen mit Geldzuwendungen geholfen habe – jedoch niemals gegen sexuelle Gefälligkeiten. Dennoch verurteilten die Richter ihn zu sieben Jahren Gefängnis. 

Dass Silvio Berlusconi frei blieb, verdankt er wohl höheren Instanzen, die dieses Urteil wiederriefen weil nicht mit letzter Sicherheit bewiesen werden konnte, dass er wusste, dass Ruby minderjährig gewesen war.

Fall 8: Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort

Die bisherigen Fälle animierten vor allem zum Kopfschütteln. Leider geht dieser Punkt darüber hinaus, denn an seinem Ende standen zwei bis heute nicht gänzlich gelöste Todesfälle.

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Worum ging es?

Die Schleswig-Holsteinische Landtagswahl 1987 war, gelinde gesagt, eine große Schlammschlacht. Dort saß seit 37 Jahren die CDU unangefochten an der Spitze, damals vertreten durch Ministerpräsidenten Uwe Barschel. Und um gegen die drohende Ablösung durch eine rotgrüne Koalition, geführt von Björn Engholm, bestehen zu können, war praktisch jedes Mittel recht:

·         Eine Broschüre unterstellte Engholm, er würde öffentliche Ämter mit Neonazis und Kommunisten besetzen

·         Es wurde behauptet, SPD und Grüne wollten Pädophilie straffrei machen

Als jedoch auch diese und andere Behauptungen in den Umfragen nicht fruchteten, beauftrage Barschel angeblich selbst den ehemals zum Springer-Konzern gehörigen Journalisten Reiner Pfeiffer. Der nannte sich selbst später in einer Doku „Barschels Mann fürs Grobe“.

Wer war daran beteiligt?

Und auch wenn bis heute nicht bewiesen ist, dass Barschel Pfeiffer persönlich installierte,  machte dieser seinem Einstellungskriterium doch Ehre. Es begann damit, dass er anonym Björn Engholm wegen Steuerhinterziehung anzeigte, was allerdings nicht zu einem Verfahren führte. Dann fuhr Pfeiffer schwerere Geschütze auf:

·         Er fälschte eine Grünen-Pressemittelung, wonach diese Engholms erneuten Eintritt in die Kirche (Engholm hatte sich kurz zuvor taufen lassen) als geschmacklose Wahlkampfmasche bezeichneten.

·         Er setzte ein ganzes Rudel Privatdetektive auf Engholm an, die ihn auf Schritt und Tritt überwachten, um so für den Wahlkampf verwertbare Tätigkeiten und Aussagen zu bekommen.

·         Er schürte Zwist innerhalb der UWSH-Partei, die sich in der Folge aufspaltete.

Der Gipfel der Schmutzkampagne war erreicht, als Pfeiffer Engholm selbst anrief, sich als Arzt ausgab, und ihm mitteilte, dass er wohl an HIV-infiziert sei – Mitte der 1980er sowohl Stigma als auch Todesurteil.

Die Summe der Bemühungen fruchtete – die Grünen schafften es erst gar nicht über die Fünfprozenthürde, die SPD wurde zwar stärkste Kraft, aber die CDU blieb an der Macht – vorerst.

Was waren die Folgen?

Denn erst ganz kurz vor der Wahl wurde das ganze Ausmaß des Skandals bekannt, obwohl Barschel während einer Pressekonferenz noch mit den Worten „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort! – dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind“ gegenzusteuern versuchte. Die FDP, mit der die CDU koalieren wollte, winkte ab, der Druck auf Barschel wuchs, sodass er einen knappen Monat nach der Wahl zurücktrat.

Allerdings war das noch nicht das Ende der Affäre. Neun Tage nach seinem Rücktritt wurde Barschel in einem Genfer Hotelzimmer von einem Stern-Journalisten tot in der Badewanne entdeckt – bis heute kursieren immer noch Gerüchte, nach denen es kein Selbstmord gewesen sein soll. Und auch Reiner Pfeiffers Tod 2015 gibt noch gewisse Rätsel auf.

Fall 9: Der tiefe Fall des Ronald Schill

Anfang der 2000er mischte die Partei Rechtsstaatliche Offensive die Hamburger Regierung auf und war sehr mit ihrem Vorsitzenden Ronald Schill verknüpft. Heute ist die Partei Geschichte, doch Schills Name bleibt im Gedächtnis.

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Worum ging es?

Eigentlich war Ronald Schill Richter. Als solcher befasste er sich in Hamburg sowohl mit Straf- als auch zivilrechtlichen Angelegenheiten. Aufgrund seiner sehr harten Vorgehensweise, sowohl was die Auslegung des Rechts als auch seine Urteile anbelangt, hatte er schnell in der Presse den Spitznamen Richter Gnadenlos weg. Nicht nur das machte ihn umstritten, sondern auch ein zwischen 1999 und 2001 laufendes Verfahren gegen ihn, in dem es um Rechtsbeugung ging.

Somit war Schill also die öffentliche Aufmerksamkeit mehr als gewiss, als er 2000 die Partei Rechtsstaatliche Offensive gründete. Vom Volksmund schnell zu Schill-Partei verkürzt, gelang ihr mit harten Statements viel Zuspruch:

·         Sexualstraftäter sollten nur nach freiwilliger Kastration entlassen werden

·         Eltern straffälliger Kinder sollten ebenfalls rechtlich belangt werden

Als Schill dann noch ankündigte, er würde Hamburgs damalige Kriminalitätsstatistik binnen hundert Tagen halbieren, gereichte ihm das bei der 2001er Bürgerschaftswahl für 19,4% der Stimmen und einen Platz als Vizebürgermeister und Innensenator der Hansestadt.

Die Kriminalitätsstatistik fiel tatsächlich – Schill aber auch. Denn er stolperte immer wieder über Affären, sei es wegen Kokainkonsum, Beschimpfung von Journalisten oder Nötigung.

Wer war daran beteiligt?

Nur Schill selbst – denn Richter Gnadenlos zeigte sich nicht nur als Anhänger einer harten Linie, sondern immer wieder auch als ziemlich egozentrische Persönlichkeit. Das zeigte sich in seiner Partei: All die Skandale und Skandälchen hatten Schills Respekt im Volk erodiert. In der Folge wurde Schill aus dem Senat ausgeschlossen. Zwar wurde er 2003 nochmals zum Parteivorsitzenden gewählt, jedoch entzog ihm diese selbst etwas später die Unterstützung und wollte ihn ausschließen – was Schill verhindern konnte.

Was waren die Folgen?

So schnell Ronald Schill in der Öffentlichkeit aufgetaucht war, so schnell verschwand er auch wieder. Er zog sich nach Brasilien zurück, wo er auch heute noch von seiner Richterpension lebt. Das mediale Sonnenlicht lockt ihn aber immer wieder. So zeigte er sich 2014 in einer Staffel von Big Brother und 2015 bei Goodbye Deutschland. 2016 machte er dann bei der RTL-Partnersuche-Sendung Adam sucht Eva mit, bei der alle Akteure splitterfasernackt vor der Kamera standen.

Fall 10: „Stay-Behind-Truppen“

Die Gefahr, im Falle eines heiß werdenden kalten Krieges mit der Sowjetunion massive Gebietsverluste in Deutschland und anderen NATO-Ländern erleiden zu müssen, trieb in manchen Ländern schaurige Blüten.

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Worum ging es?

Während des gesamten Kalten Krieges bestand Gefahr, dass die Truppen des Warschauer Paktes bis weit über den Rhein vorstoßen könnten. Um für diese Fälle gewappnet zu sein, entstanden ab den 1950ern in weiten Teilen der NATO-Länder sogenannte Stay-Behind-Organisationen. Diese paramilitärischen Verbände sollten sich im Ernstfall von der Front überrollen lassen und in deren Rücken Kommandoaktionen im Partisanen-Stil ausführen und so die sowjetischen Kriegsbestrebungen bremsen.

Um das zu erreichen, bildete man nicht nur zahllose Männer aus, sondern legte auch umfangreiche Waffenlager an geheimen Orten überall in Europa an. Um „politische Zuverlässigkeit“ zu garantieren und Unterwanderungen zu erschweren, griff man dazu vorwiegend zu Personen aus dem rechtsgerichteten Spektrum.

Wer war daran beteiligt?

Diese Geheimarmeen blieben in praktisch allen Ländern bis nach dem Ende des Eisernen Vorhangs geheim. Danach herrschte vielfach die Ansicht vor, dass es sich dabei um landesspezifische, aber von der NATO und/oder CIA  gelenkte Truppen gehandelt habe – davon geht die neuere Forschung nicht mehr aus.

Was die Verstrickungen letztendlich aufdeckte, waren Ermittlungen in Italien bezüglich einer Serie von Terroranschlägen. Dabei fand man heraus, dass alle Anschläge einem selben Muster folgten und kam durch weitere Arbeit zum Ergebnis, dass diese Attentate mitnichten – so wie kolportiert – durch linke Terroristen ausgeübt worden waren, sondern durch Neonazis.

In der Folge wurde die erste Stay-behind-Armee aufgedeckt – Gladio. Es folgten in vielen Ländern Untersuchungsausschüsse, die hervorbrachten, dass:

·         Belgien

·         Deutschland (BRD & DDR)

·         Griechenland

·         Luxemburg

·         Spanien

·         Türkei

·         Österreich

·         Schweiz

ähnliche Netzwerke mit Waffenverstecken aufgebaut hatten. Mittlerweile geht der Forschungsstand davon aus, dass auch der oder die Täter des Oktoberfestattentates 1983 in eine solche Gruppierung verstrickt waren.

Was waren die Folgen?

Obwohl man sich einig ist, dass insgesamt mehrere tausend Personen zu diesen Schattenarmeen gehört haben mussten, liegt der Großteil der Informationen, insbesondere über die Teilnehmer-Identität, nach wie vor im Dunkeln und ist ein Tummelplatz zahlreicher Historiker, aber auch Verschwörungstheoretiker – wie bei vielen dieser politischen Eskapaden und Skandälchen.

 

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