Organspende: Christian aus Karlsruhe hat einen Spender gefunden und erzählt seine Geschichte

24. Juni 2024 , 15:23 Uhr

Karlsruhe (la) – Heute diskutiert der Bundestag wieder um eine Organspende-Reform. Kommt die Widerspruchsregelung oder bleibt alles beim Alten? Wir haben mit Christian Grapatin aus Karlsruhe gesprochen. Mit der Transplantation begann für ihn ein neues Leben. Vor zweieinhalb Jahren erhielt er den erlösenden Anruf. Ein passender Spender war gefunden worden. Mit dieser Nachricht hatte der langjährige Dialyse-Patient nicht mehr gerechnet, seit eine erste Spende gescheitert war. Heute engagiert er sich in der Betreuung von Kindern, die selbst, wie er als Jugendlicher, auf der Organspende-Warteliste stehen. Mit seiner Geschichte will er Mut machen. Den Eltern, aber auch allen Menschen, die sich noch nicht mit dem Thema „Organspende“ beschäftigt haben.

Auf dem Fußballplatz beginnt die Krankheitsgeschichte

Dass etwas nicht stimmt, merkt Grapatin im Alter von zehn Jahren auf dem Fußballplatz. „Ich wollte aufs Tor schießen, und bin einfach seitlich umgekippt“, erinnert er sich. „Und dann habe ich es noch mal probiert – und wieder lag ich auf dem Boden.“ Sein Trainer war es, der ihm zu einem Arztbesuch riet. Keine Sekunde zu früh, die Blutwerte des jungen Fußballfans waren bereits lebensbedrohend. Diagnose Diabetes. „Dass ich überhaupt noch mal aufgestanden bin, ist ein Wunder. Ich kam sofort ins Krankenhaus“, schildert er. „So eine Krankheit merkt man erst, wenn es schon fast zu spät ist.“

Einer von tausenden Wartelisten-Patienten

Als die Medikamente nach einem halben Jahr nicht mehr zu wirken scheinen, steht fest: Neue Organe müssen her, konkret Niere und Bauchspeicheldrüse. „Von da an war ich bei der Dialyse, also Blutwäsche“, erklärt Grapatin. Die regelmäßigen Krankenhausbesuche habe er als Jugendlicher zumindest anfangs noch gut verkraftet. Während der Dialyse Fernseher schauen, sich unterhalten und warten. Darauf, dass endlich ein Spenderorgan gefunden würde.

„Ich hatte kein Leben mehr“

Mentale Probleme, Unsicherheit, Depression schlagen nach einigen Jahren stark auf das Gemüt des sonst eigentlich zuversichtlichen jungen Mannes. „Ich konnte nichts mehr essen, mir war nur noch schlecht. Durch die Krankheit ist man abgeschottet, man kann nicht mehr arbeiten.“ Heute sagt er, damals habe er sich gefühlt, als sei es der Welt völlig egal, was mit ihm passiert.

6.683 Personen warten in Deutschland aktuell auf eine neue Niere. Sie ist das am häufigsten transplantierte Organ der vergangenen Jahre. Acht bis neun Jahre beträgt die Wartezeit für betroffene Patienten. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verstarben 2022 mehr als 700 Personen auf der Nieren-Warteliste. Denn: Im gleichen Jahr spendeten nur rund insgesamt 900 Menschen in Deutschland überhaupt ein Organ.

Erste Transplantation scheitert

Grapatin hatte Glück. „Glück, weil ich damals noch so jung war“, sagt er. Seine Wartezeit betrug „nur“ fünf Jahre. Obwohl seine Chancen auf eine erfolgreiche Transplantation schlecht aussahen. Der erste Anruf, ein passendes Organ sei gefunden, kommt nach zwei Jahren der Dialyse. Grapatin fuhr nach Freiburg, bereit, sich operieren zu lassen. „Ich dachte, ab jetzt geht es aufwärts“, erinnert er sich. Doch kurz vor dem Eingriff die ernüchternde Nachricht: Das zu transplantierende Organ ist beschädigt, eine Operation kann nicht stattfinden.

Vor drei Jahren der alles verändernde Anruf

„Von da an dachte ich, das war meine Chance, die ich eben nicht bekommen habe. Entsprechend habe ich gelebt. Jeden Tag mit dem Wissen, irgendwann werde ich umfallen und sterben.“ Vor etwa drei Jahren dann der nächste Anruf. „Ich hatte wohl doch noch mal Glück“, schmunzelt Grapatin heute. Ein passender Spender war gefunden worden, die Transplantation lief komplikationslos.

Kein Treffen mit den Angehörigen möglich

Die Familie des Spenders hat Grapatin nie kennengelernt. „Das finde ich sehr schade. Ich denke, es wäre schön für die Menschen zu wissen, was aus der Spende ihres Angehörigen geworden ist“, sagt er. Schon oft hat er überlegt, was er der Familie sagen würde. „Wahrscheinlich, wie dankbar ich bin. Wie anders mein Leben seit der Spende verlaufen darf. Jetzt plötzlich kann ich alles machen, ich muss nicht mehr spritzen oder besonders aufpassen, was ich esse.“

Ausdauersport statt Fußballfeld

An die neue Freiheit musste er sich erst gewöhnen. Seine positive Art hat er aber schnell wieder gefunden. „Fußball spiele ich heute zwar nicht mehr, das ist ein bisschen heikel wegen der Organe, dafür mache ich aber Ausdauersport“, sagt er. Seine Erfahrungen möchte er mit anderen Betroffenen teilen. Und so engagiert er sich in der Initiative „Kinderhilfe Organtransplantation“ (KiO), unterstützt Angehörige und klärt auf.

„Ja oder Nein“ auf dem Organspendeausweis

Besonders am Herzen liegt ihm, Menschen zu einer Entscheidung zu bewegen. „Welche Entscheidung das ist, ob Ja oder Nein zu Organspende, steht da nicht im Vordergrund“, erklärt er. Viel wichtiger sei es, sich mit dem Thema der Spende überhaupt auseinanderzusetzen. „Auf einem Organspendeausweis kann man auch ankreuzen, dass man das nicht möchte.“ Eine Entscheidung entlaste im Notfall die Angehörigen. „Denn in so einer Ausnahmesituation möchte man sich eigentlich nicht noch Gedanken darüber machen müssen, ob man die Organe des Angehörigen spendet oder nicht.“

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