Karlsruhe (dpa/lk) – Nach der Flutkatastrophe von Ahrweiler wird ein Teil der Bilder aus dem dortigen Stadtmuseum in Karlsruhe erstversorgt. In einem Depot des Zentrums für Kunst und Medien Karlsruhe versuchen Restauratoren seit Anfang August über 30 Bilder und 250 Zeichnungen zu retten, indem sie diese zunächst reinigen und in einen Zustand bringen, der eine weitere Restaurierung erlaubt. Die Hilfe für Ahrweiler ist der erste Einsatz des Karlsruher Notfallverbunds zur Rettung von Kulturgütern.
Dem Karlsruher Notfallverbund zur Rettung von Kulturgütern gehören inzwischen 15 Institutionen an. Ob Feuer, Wasser oder Stromausfall – um sich im Notfall zu unterstützen und Ressourcen zu bündeln, sind in den letzten Jahren bundesweit solche Verbünde gegründet worden. Katastrophen wie das Elbhochwasser 2002, der Brand der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar 2004 oder der Einsturz des Stadtarchivs Köln im Jahr 2009 waren der Auslöser. „Diese Schadensereignisse machten im Kulturbereich deutlich, dass es dort eigener Anstrengungen zur Notfallvorsorge bedarf“, sagt Klaus Nippert, Wissenschaftlicher Leiter des Archivs am Karlsruher Institut für Technologie. Arbeitsleistungen für den Verbund werden aus den regulären Ressourcen, Materialien und Budgets der beteiligten Institutionen beschafft, erläutert Nippert. Das KIT hat bis 2023 die Federführung im Karlsruher Verbund.
„Das Bildnis einer jungen Frau“ von Pitt Kreuzberg stammt aus dem Stadtmuseum Ahrweiler. Es ist eines von über 30 Bildern und 250 Zeichnungen, die in Karlsruhe Erste Hilfe bekommen. Und es ist zugleich der erste Einsatz des Karlsruher Notfallverbunds zur Rettung von Kulturgütern. Für Henrike Mall, leitende Restauratorin beim Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, ist es ein Kampf gegen die Zeit. Als die Kunstwerke Anfang August im Außendepot des ZKM eintrafen, bot sich ihr ein verheerendes Bild: Verschlammte Bilder, zusammengeklebte Blätter, verbeulte Rahmen und Schimmel, der sich unter Folien gebildet hatte. Teils triefte stinkendes Brackwasser aus den Transportboxen. Mit Schutzanzug, Handschuhen und Maske gingen die Restauratoren sofort ans Werk, anfangs nur zu zweit. „Man hätte mehr Leute schon vom ersten Tag an brauchen können“, sagt Mall.
Nach dem Säubern geht es darum, Gemälde zu fixieren. Mit Kleie und Japanpapier wird die Malschicht geschützt, wo es noch geht. Was, wäre, wenn man es lässt? „Dann fällt alles ab, es bröselt einfach“, sagt Mall. Schlamm und Farbe sind eine ungute Verbindung eingegangen. Beides zu trennen, ist eine Herausforderung, sagt die Restauratorin. Ölgemälde haben vergleichsweise gute Chancen, wieder hergestellt zu werden, viele Grafiken gehen noch, bei Aquarellen ist es schwieriger. Es gibt auch Bilder, bei denen das Hochwasser bereits ganze Arbeit geleistet hat; wo auf einem großen Gemälde mal ein Schäferhund war, ist keiner mehr. Inzwischen sind im ZKM-Depot auch Fachleute anderer Museen und von außerhalb am Werk. „Es geht hier um Notsicherung“, sagt Mall. Einige Bilder wurden schon transportfähig gemacht und zur endgültigen Restaurierung geschickt.
2.800 Sammlungsobjekte hatte das Stadtmuseum Ahrweiler, berichtet Bettina Scheeder, Geschäftsführerin des Museumsverbandes Rheinland-Pfalz. Weil es 2013 Brandschutzprobleme gab, war ein großer Teil in einer Tiefgarage eingelagert. Gleich nach der Flutkatastrophe hat sie einen Notruf an alle Museen abgesetzt. Doch bis die Kulturgüter geborgen werden konnten, verstrichen über zwei Wochen. „Erst mussten die Menschen gerettet werden.“ Als dann die Kultur dran kam, war es teils schon zu spät. „Man musste vor Ort 30 Prozent der Gemälde sofort vernichten“, so Scheeder. Sie hofft dennoch, dass ein Großteil gerettet werden kann. Museen, Hochschulen und freie Restauratoren haben Hilfe angeboten.
Auch wenn unter den Kulturschätzen aus Ahrweiler kein Picasso ist: „Wir versuchen möglichst viel von der Stadtgeschichte zu retten“, sagt Scheeder. Angesichts der Zeugnisse, die schon verloren sind, blutet der Kunsthistorikerin das Herz. Sie hofft, dass das kulturelle Gedächtnis der Stadt erhalten bleibt – und auf weitere Hilfen als „andere Art von Spenden“.