Stuttgart/Mannheim (dpa/lk) – Die Regierung wollte Zeit gewinnen. Zeit, um die Folgen der hochansteckenden Omikron-Variante besser einschätzen zu können. Doch das Einfrieren der Alarmstufe II stand rechtlich von vornherein auf wackligen Füßen. Ein Gerichtsurteil ändert die Situation.
Die Menschen in Baden-Württemberg müssen sich schon nächste Woche auf neue Corona-Regeln einstellen. Voraussichtlich gilt dann nur noch die zweithöchste Stufe, die normale Alarmstufe, die mit einigen Lockerungen verbunden wäre. Das Land will das am 12. Januar ausgesetzte reguläre Stufensystem der Corona-Beschränkungen Mitte nächster Woche wieder in Kraft setzen, wie eine Sprecherin des Staatsministeriums mitteilte. Die Regierung reagiert damit auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs, das das Einfrieren der Alarmstufe II mit harten Einschränkungen für Ungeimpfte für teilweise rechtswidrig erklärt hatte.
Bleibt die Belastung der Krankenhäuser auf dem derzeitigen, etwas niedrigerem Niveau, gilt wieder die normale Alarmstufe. Eigentlich sieht diese Stufe deutlich weniger Einschränkungen vor. Allerdings will die Regierung die Regeln in den einzelnen Stufen noch einmal anpassen, insbesondere bei Veranstaltungen. Sie will mit der Neufassung der Corona-Verordnung auch die Ergebnisse des nächsten Bund-Länder-Treffens am kommenden Montag zur weiteren Corona-Strategie abwarten. Es ist umstritten, inwieweit man wegen der milderen Krankheitsverläufe bei der Omikron-Variante die Maßnahmen lockern kann. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte zuletzt zur Vorsicht gemahnt, weil die Daten zu Omikron noch nicht belastbar seien.
Das Einfrieren der Alarmstufe II, das ursprünglich bis Ende Januar geplant war, widerspricht nach Einschätzung des VGH dem Infektionsschutzgesetz des Bundes. Die grün-schwarze Landesregierung hatte aus Sorge um die Omikron-Variante des Coronavirus diese Stufe in der Corona-Verordnung beibehalten und damit die Grenzwerte für die Belastung der Krankenhäuser bis Ende Januar außer Kraft gesetzt. Die Mannheimer Richter erklärten am Freitag, dass eine Vorschrift, die unabhängig von der Hospitalisierungsinzidenz weitreichende Zugangsbeschränkungen für Ungeimpfte vorsehe, nicht im Einklang mit den Vorgaben aus dem Infektionsschutzgesetz des Bundes stehe.
Erhebliche Grundrechtsbeschränkungen könnten „nicht abgekoppelt von der Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz angeordnet werden“, heißt es in der Mitteilung des Gerichts. Diese Inzidenz gibt an, wie viele Corona-Infizierte innerhalb einer Woche und pro 100.000 Einwohner in eine Klinik gebracht werden. Ein ungeimpfter Student hatte dagegen geklagt, dass die Alarmstufe II zum weitgehenden Ausschluss von Nicht-Immunisierten von Präsenzveranstaltungen führe. Der VGH setzte den Teil der Corona-Verordnung zum Studienbetrieb von diesem Montag an außer Vollzug. Die Vorschrift sei „voraussichtlich rechtswidrig“. Hätte sich die Regierung weiter an ihren ursprünglichen Grenzwerten orientiert, hätte sie eigentlich längst lockern müssen.
Die Sprecherin des Staatsministerium erklärte, die VGH-Entscheidung betreffe zunächst nur die Corona-Verordnung Studienbetrieb. „Wir werden die Corona-Hauptverordnung aber wie ohnehin geplant in der kommenden Woche aktualisieren und das „Einfrieren“ der Alarmstufe II, das explizit als Übergangslösung bis maximal 1. Februar gestaltet war, beenden.“ Die Stufensystem-Logik werde grundsätzlich beibehalten. Maßnahmen sollten auch in Zukunft an der Hospitalisierungsinzidenz und der Belastung der Intensivstationen orientiert sein. „Denn auch in der Omikron-Welle geht es darum, das Gesundheitssystem vor Überlastung zu bewahren und dafür zu sorgen, dass Kranke in Baden-Württemberg eine angemessene Behandlung erhalten.“