Mit Blick auf Differenzen innerhalb der Landesregierung in Bezug auf die eigentlich vereinbarte Erweiterung des einzigen Nationalparks in Baden-Württemberg mahnt der Naturschutzbund Nabu Vertragstreue an. Im Koalitionsvertrag heißt es: «Wir erweitern und entwickeln den Nationalpark Schwarzwald auf Basis fachlicher Kriterien in einem transparenten Beteiligungsprozess weiter.» CDU-Forstminister Peter Hauk sorgt seit dem Wochenende für Schlagzeilen, weil er nach eigener Aussage am liebsten keine oder höchstens eine minimale Erweiterung des Nationalparks will. «Im Nationalpark Schwarzwald muss zusammenwachsen, was zusammengehört», teilte der Nabu-Landesvorsitzende Johannes Enssle der Deutschen Presse-Agentur nun mit. «Was der Minister persönlich will oder nicht will, ist dabei unerheblich. Wir erwarten, dass sich auch der Waldminister von der CDU an das hält, was Grün-Schwarz gemeinsam im Koalitionsvertrag der Bevölkerung versprochen hat.»
Derzeit zweigeteiltes Schutzgebiet
Den Nationalpark gibt es seit 2014. Hier wird der Wald sich selbst überlassen und nicht bewirtschaftet; Totholz bleibt beispielsweise liegen. Das Schutzgebiet ist rund 10 000 Hektar groß und besteht aus zwei Teilen, die zusammengeführt werden sollen. Dafür müssen Wald- und Grundbesitzern die dazwischen liegenden Gebiete abgekauft werden. Das Umweltministerium will dazu Gespräche führen. Ein Sprecher hatte am Wochenende mitgeteilt, das Haus unter Leitung von Thekla Walker (Grüne) arbeite unvermindert an der Umsetzung des Koalitionsvertrags. Die «Badische Zeitung» hatte Hauk mit den Worten zitiert: «Ich will netto eigentlich gar nicht mehr. Das, was netto in der Lücke dazu kommt, muss irgendwo an den Rändern wieder weg.» Er sei vertragstreu, sagte der Minister dem Bericht zufolge weiter. Aber: «Für mich heißt erweitern, wir beginnen mal mit einem Hektar netto mehr.» Nabu-Landeschef Enssle verwies auf die Formulierung im Koalitionsvertrag und betonte: «In diesem Sinn geht es um mehr Qualität und mehr Quantität, also um einen Flächenzuwachs. Das bedeutet eben gerade nicht, dass die Fläche, die in der Mitte dazukommt, an den Rändern wieder abgeschnitten wird.»
Nationalpark nicht klimafreundlich?
Hauk und sein Ministerium hatten ferner mit dem Klimawandel argumentiert: Flächen für den Nationalpark würden nicht mehr forstwirtschaftlich genutzt, was vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung und der Speicherung von Kohlenstoffdioxid (CO2) in Holzprodukten kritisch zu hinterfragen sei, erklärte ein Sprecher am Wochenende. «CO2 muss nämlich nicht nur während des Lebens der Bäume, sondern auch nach deren „Tod“ möglichst lange gespeichert werden.» Dafür müsse man Wälder bewirtschaften und das Holz nutzen.
Fachleute sehen das anders. So heißt es in einem Beitrag der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) Baden-Württemberg zur Diskussion um die Nutzung von Wäldern im Spannungsfeld von Holzproduktion, ihrem Beitrag zum Klimaschutz und der Verpflichtung zum Schutz der Biodiversität von Waldökosystemen: «In dieser Debatte werden sogar Klimaschutzargumente bemüht, um Anliegen des Biodiversitätsschutzes zu diskreditieren. Manche Argumente basieren auch auf einer fragwürdigen Datenbasis und -interpretation.» Eine Studie der Hochschule Rottenburg kommt zu folgendem Schluss: «Das Argument, nur ein genutzter Wald sei für den Klimaschutz ein guter Wald, ist faktisch nicht belegbar.»