Region (dpa/jal) – Während Kriminelle in Baden-Württemberg in diesem Jahr deutlich mehr Geldautomaten in die Luft gejagt haben als im Vorjahr, deutet sich in mehreren Bundesländern ein anderer Trend an. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Bundesweite Daten für das zu Ende gehende Jahr liegen aber noch nicht vor. In Baden-Württemberg sind seit der Jahreswende nach Angaben des Landeskriminalamtes (LKA) mindestens 40 Geräte mit teils brachialer Gewalt zerstört worden. Im vergangenen Jahr schlugen die sehr oft aus den Niederlanden kommenden Räuber laut LKA 34 Mal zu, oft blieben sie allerdings auch erfolglos. Im Rekordjahr 2020 waren sogar 41 Automaten in die Luft geflogen oder beschädigt worden.
Anders als im Südwesten zeichnet sich in Nordrhein-Westfalen ein Rückgang der Sprengattacken ab. Kurz vor Jahresende lag die Zahl bei 153 Angriffen, wie das Landeskriminalamt NRW in Düsseldorf auf Anfrage mitteilte. Sollte es dabei bleiben, wäre dies ein Rückgang von 16 Prozent im Vergleich zum Rekordjahr 2022, als 182 Geldautomaten angegriffen wurden. Auch die Ermittler in Niedersachsen sprachen anders als in Baden-Württemberg von einem Rückgang der Fälle im Vergleich zu den Vorjahren. Bis Anfang Dezember habe es 36 Angriffe auf Geldautomaten gegeben, im Jahr 2022 seien es 68 Taten gewesen. Das bayerische Landeskriminalamt registrierte bis kurz vor Jahresende 21 Sprengungen von Geldautomaten, nach 37 Angriffen im Vorjahr. Auch das LKA in Sachsen berichtete von einem leichten Rückgang der Fallzahlen. Dagegen meldete das Innenministerium in Hessen einen Höchststand mit 60 Angriffen, auch in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern schlugen Kriminelle häufiger zu als im Jahr zuvor.
Der Schaden an den Gebäuden und Automaten ist in fast allen Fällen deutlich höher als der Verlust an Bargeld. Dies auch, weil Kriminelle inzwischen fast ausschließlich die noch verheerenderen Festsprengstoffe statt Gas für ihre Explosionen nutzen. Der deutschen Versicherungswirtschaft zufolge entstand im Jahr 2022 ein Schaden von gut 110 Millionen Euro. Lediglich 30 Millionen davon sind Beträge aus den Automaten. Das Sprengen von Geldautomaten hat seit einigen Jahren den «klassischen» Banküberfall nahezu abgelöst. Für die modernen Panzerknacker scheint der Beutezug trotz des gewaltigen Risikos durch den Sprengsatz eine recht sichere Angelegenheit zu sein: Die Aufklärungsquote für das Jahr 2022 liegt laut dem baden-württembergischen Innenministerium bei 15 Prozent.
Aber es gibt auch Erfolge für die Polizei: Schlagzeilen machten unter anderem Razzien und Festnahmen in den Niederlanden gegen eine mutmaßliche Bande von Geldautomatensprengern. Die Staatsanwaltschaft Bamberg hat bereits Anklage gegen ein Dutzend Männer erhoben. Sie ist überzeugt, dass diese in den vergangenen zwei Jahren bundesweit und vor allem in Süddeutschland rund 100 Geldautomaten in die Luft gesprengt und dabei mehrere Millionen Euro erbeutet haben. Immer wieder soll die Bande auch in Baden-Württemberg zugeschlagen haben, teils gleich mehrere Male in einer Nacht. Die Staatsanwaltschaft Bamberg sprach bei der Anklageerhebung von «organisierter Kriminalität, die sich deutschen Boden sucht». In den Niederlanden werde zunehmend elektronisch mit Karte bezahlt, die Zahl der Geldautomaten gehe zurück und die noch vorhandenen, aber immer besser gesicherten Geräte speicherten nur noch kleinere Summen.
Damit der Beutezug nicht die Regel wird und sich die Tat nicht mehr lohnt, müssen noch mehr Geldautomaten umgerüstet werden. Den deutschen Geldinstituten empfiehlt die Polizei, die Automaten nachts unter Verschluss zu halten, Vernebelungsanlagen zu installieren und die Bargeldbeträge in den Automaten so zu präparieren, dass sie bei einer Explosion eingefärbt und verklebt werden. In den zurückliegenden Jahren seien deutschlandweit rund 300 Millionen Euro für Geldautomaten an Risikostandorten ausgegeben worden, teilte die Deutsche Kreditwirtschaft dazu mit. Doch die Wirkung der Maßnahmen werde «sich nicht von heute auf morgen zeigen». Ungefähr zwei Jahre dauere es, bis sich das Verhalten der Täter dadurch ändere. Zumal es 2022 bundesweit rund 52.600 Geldautomaten gab. «Insofern ist die intensive Präventionsarbeit ein länger andauernder Prozess», so die Deutsche Kreditwirtschaft.