Region (dpa/lk) – Für Menschen, die sich nicht gegen das Coronavirus impfen lassen wollen, wird es ungemütlicher. Bei einer Quarantäne sollen sie ihren Chefs Auskunft geben und das heißt: Keine Impfung, kein Geld. Der oberste Datenschützer hält diese Praxis für unhaltbar.
In der Corona-Krise drohen ungeimpften Beschäftigten auch im Südwesten von November an finanzielle Erschwernisse. Für Verdienstausfälle wegen einer angeordneten Quarantäne soll es für die meisten keine Entschädigung mehr geben. Greifen soll dies für alle, für die es eine Impfempfehlung gibt und die sich auch impfen lassen können. Doch wie überprüft der Arbeitgeber, ob seine Mitarbeiterin oder sein Mitarbeiter gegen das Coronavirus geimpft ist? Für das Sozialministerium ist die Sache klar: Der Arbeitgeber darf fragen und die betroffenen Beschäftigten sollten auch antworten, sonst drohe ihnen Verdienstausfall.
Doch diese geplante Praxis trifft auf entschiedenen Widerstand des Landesdatenschutzbeauftragten Stefan Brink. Der oberste Datenschützer erklärte, die Arbeitgeber dürften in so einem Fall zwar fragen, ob die betroffenen Beschäftigten geimpft seien. Den Mitarbeitern stehe es aber frei, nicht zu antworten. Brink warf dem Sozialministerium vor, eine „tragfähige Lösung“ für Beschäftigte und Arbeitgeber zu blockieren. Er sagte der dpa: „Unklare Gesetze führen nur zu unnötigen Konfrontationen zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern, bei denen der Schwächere unterliegt.“
Das Bundesinfektionsschutzgesetz sieht vor, dass es keine Lohnfortzahlung geben kann, wenn eine Absonderung hätte vermieden werden können, indem man eine empfohlene Impfung in Anspruch nimmt. Konkret geht es um Tätigkeitsverbote oder um eine Quarantäne, wenn man Kontaktperson von Corona-Infizierten war oder aus einem Risikogebiet im Ausland zurückkehrt. Die Gesundheitsminister der Länder hatten Mitte September mehrheitlich beschlossen, dass dies nun auch umgesetzt werden soll, da inzwischen ausreichend Impfstoff da ist. In einem Brief an die Arbeitgeberverbände von Ende August hatte das Bundesgesundheitsministerium erklärt, dass die Unternehmen den Impfstatus abfragen dürfen und das in diesem Fall das Datenschutz- hinter das Arbeitsrecht zurücktreten müsse. Das setzt das Land so um.
Grundsätzlich hält Brink gar nichts davon, privaten Unternehmen die Möglichkeit zu geben, sensible Gesundheitsdaten abzufragen. Es habe gute Gründe, dass Beschäftigte im Fall einer Krankheit ihrem Arbeitgeber nicht mitteilen muss, was sie genau haben. Er moniert, das Bundesinfektionsschutzgesetz regele zahlreiche praktische Fragen nicht, weshalb viele Beschäftigte nun bei ihm anfragten, was sie tun sollen. Klar sei: „Der Arbeitgeber darf zwar im Rahmen der Lohnerstattung nach dem Impfstatus des Beschäftigten fragen, der Beschäftigte muss ihm aber seine sensiblen Daten nicht offenbaren, wenn er das nicht möchte.“
Uwe Lahl, Amtschef im Sozialministerium, bestätigt, es stehe dem Beschäftigten zwar frei, ob er Auskunft über seinen Impfstatus gebe. „Tut er dies nicht, dann muss sich der Arbeitnehmer aber bewusst sein, dass er Gefahr läuft, keinen Lohn für den Zeitraum der Absonderung zu erhalten.“ Das sei bundeseinheitlich so geregelt. Brink hält aber eine andere Lösung für möglich. Wenn die Beschäftigten ihre sensiblen Gesundheitsdaten nicht offenbaren wollten, könnten sie sich auch an das für die Lohnfortzahlung zuständige Regierungspräsidium wenden. Der Arbeitgeber übernehme ja nur stellvertretend für die zuständige Behörde die Lohnfortzahlung für bis zu sechs Wochen. Warum sollten Beschäftigte also nicht direkt einen Antrag an das Regierungspräsidium stellen?
Das Ministerium argumentiert, der Vorschlag sei realitätsfern. Stelle ein Arbeitnehmer einen solchen Antrag, werde das Regierungspräsidium ihn ablehnen, weil ein Beschäftigter nicht befugt sei, einen solchen Antrag einzureichen. Ein solches Verfahren würde zudem zu Tausenden Einzelanträgen führen und die Verwaltung überfordern. „Deswegen ist das, was Brink sich ausgedacht hat, eine Sackgasse“, sagte Lahl. Es sei auch gar nicht einfach, einen solchen Antrag zu stellen, deswegen sei das eine „absurde Vorstellung“, dass das jeder selbst macht.
Für betroffene Beschäftigte ist das eine verzwickte Situation. Sozialministerium und Datenschutzbeauftragte konnten sich nicht auf eine gemeinsame Erklärung verständigen. Lahl kritisierte, dass Brink auf eine Landeslösung dringe, weil die Datenschützer in Deutschland sich nicht einig seien. „Eigentlich ist das die Stunde, wo sich der Bundesdatenschutzbeauftragte mit dem Bundesgesundheitsministerium verständigen müsste.“ Es sei unmöglich, dass Gesetze alle Sonderfälle regelten. Brink forderte die Politik dagegen auf, für Klarheit zu sorgen. Und er bietet allen betroffenen Beschäftigten, Arbeitgebern und Behörden an, „bei der Suche nach rechtmäßigen und praktikablen Lösungen“ zu helfen. Denkbar ist, dass die Sache bald juristisch ausgefochten wird. Lahl sagte dazu: „Da muss man sehen, ob die Gerichte das genauso sehen wie wir.“