Region (lea) – Stifte raus, Klassenarbeit. Aber nur, wenn es auf der anderen Seite auch eine Lehrkraft gibt, die die Klassenarbeit erstellt und im Nachhinein korrigiert. Klingt simpel, wird in der Realität aber immer schwieriger. Denn in Deutschland herrscht Lehrermangel: Circa 14.500 unbesetzte Vollzeitstellen vermeldeten die Kultusministerien der Länder im vergangenen Monat. Ein Problem, das in ländlichen Regionen besonders ausgeprägt auftritt. So auch in den Landkreisen Calw und Freudenstadt.
Werner Litschauer kennt die Zahlen, wo und seit wann wie viele Lehrer fehlen, genau. Als Leiter des Referats 73 im Regierungspräsidium Karlsruhe kümmert er sich um Lehrereinstellungen und Bedarfsplanung. „Besonders betroffen sind im Regierungsbezirk Karlsruhe die Landkreise Calw und Freudenstadt“, erläutert er sachlich.
„Aber auch für bestimmte Fächer finden wir nicht genügend ausgebildete Lehrkräfte.“ Vor allem in Informatik und Physik, aber auch im Bereich der Sonderpädagogik gebe es nur wenige Bewerbungen. In Litschauers Augen ein regionales Problem.
„Im Landkreis Karlsruhe zum Beispiel“, fährt er fort, „da kamen auf eine Stelle an einer Grundschule mal 128 Bewerbungen.“ Die Bewerber seien da, nur eben nicht immer am richtigen Ort. Gleichzeitig fehle häufig die Bereitschaft, für den Beruf seinen Wohnort zu verlegen.
„In Karlsruhe und Heidelberg haben wir eine Konzentration der Ausbildungsstätten für die Lehrkräfte“, sagt der Experte. „Wenn jemand seine ganze Ausbildungszeit an diesen Orten verbracht hat, ist es für diese jungen Leute schwieriger vorstellbar, die Region dann zu verlassen.“ Und so fehlen Lehrer oft dort, wo es keine Ausbildungsstätten gibt: im ländlichen Raum.
Im Raum Freudenstadt beispielsweise habe man vor Kurzem drei Stellen unbesetzt lassen müssen. „Es hat sich einfach keine ausgebildete Lehrkraft beworben“, erinnert sich Litschauer. Das soll sich ändern – der ländliche Raum soll attraktiver werden. „Es gibt Bemühungen, die Seminare, also die Ausbildung während des Lehrerreferendariats, aufs Land zu verlegen.“ In Freudenstadt findet daher bereits seit einigen Jahren ein Grundschulseminar statt. „Wir hoffen, dass die ein oder andere angehende Lehrkraft in diese Region umzieht und dort auch langfristig bleiben möchte.“
Wirkungsvoll sei auch die Erhöhung der Studienzahlen, die vor einigen Jahren angegangen wurde. „Im Grundschulbereich kommen wir dadurch langsam dahin, dass wir in etwa so viele Bewerberinnen und Bewerber wie offene Stellen haben“, erklärt Litschauer stolz. Ob das das Problem der regionalen Ungleichverteilung lösen könne, werde sich im Einzelfall zeigen.
Auch die Tatsache, dass viele „Bestandslehrkräfte“ ihr Deputat erhöht haben, mache sich in der Bilanz bemerkbar. Es ist einer von 18 Vorschlägen der baden-württembergischen Kultusministerin Theresa Schopper, den sie im März dieses Jahres im Rahmen ihrer „Maßnahmen für die Unterrichtsversorgung“ vorgestellt hat. „Das ist wirklich eine große Entlastung, dass manche Lehrerinnen und Lehrer nun mehr Stunden in der Woche arbeiten“, findet der Experte.
Zudem verschaffe die Möglichkeit einer Weiterqualifizierung, beispielsweise vom Physiker zum Physiklehrer, in besonders schwer zu versorgenden Regionen Linderung. Seit 2021 ist es möglich, nach Ende einer Vorbereitungszeit das für den Lehrerberuf nötige Zweite Staatsexamen zu erwerben und als Quereinsteiger im Schulgeschehen aktiv zu werden. „Bisher konnten wir dadurch neun neue Lehrkräfte in Calw und Freudenstadt gewinnen“, so Litschauer.
Am Ende geht es auf Kosten der Schüler, wenn Ausschreibungsstellen an Grund- und weiterführenden Schulen unbesetzt bleiben. „Je weniger Personen in diesem System sind, desto flexibler muss man die Leute einsetzen“, erklärt der Experte. Die notwendige pädagogische Kontinuität, die vor allem in Grundschulen von Bedeutung ist, könne daraus resultierend nicht immer aufrechterhalten werden. „Das heißt, die Lehrerinnen und Lehrer einer Klasse wechseln häufig. Im sonderpädagogischen Bereich werden auch Klassen zusammengelegt.“ Oder einzelne Stunden fallen ersatzlos weg.
„Den Beruf würde ich weiterempfehlen. Aber nur, wenn sich viele Dinge ändern“, sagt Bob Blume, Lehrer, Autor und Bildungsinfluencer. Die Kommunikation zwischen Lehrkräften und Politik müsse vertieft werden, findet er. „Wenn jemand etwas verändern und dabei einer sinnstiftenden Tätigkeit nachgehen möchte, dann ist es der richtige Beruf. Man hat eine direkte Wirkung auf junge Menschen, das ist großartig“, schwärmt er. Das zu erfahren, das mache den Lehrerberuf aus. „Diesbezüglich wünsche ich mir mehr Möglichkeiten. Und nicht nur Verwaltungstätigkeiten, die immer mehr werden.“