Lateinamerika: In der Corona-Krise helfen sich die Menschen selbst

22. April 2020 , 08:03 Uhr

Karlsruhe (pm/cmk) Auch die Länder in Lateinamerika versuchen die Infektion durch Ausgangssperren und Kontaktverbote in den Griff zu bekommen. Maßnahmen, die alternativlos sind, die aber einem großen Teil der Bevölkerung die Lebensgrundlage beschneiden. Denn der Internationalen Arbeitsorganisation zufolge arbeitet mehr als die Hälfte der werktätigen Bevölkerung in Lateinamerika und der Karibik informell, also ohne Arbeitsverträge und Versicherungsschutz. Klein- und Straßenhändler, Schuhputzer und Tagelöhner – ihnen droht bittere Armut und Hunger. Wer nicht zur Arbeit kommt, wird nicht bezahlt und hat folglich nichts zu essen.

Hunger und Virus gleichermaßen gefürchtet

Dazu kommen Lebensmittelknappheit und steigende Preise. Die Menschen fürchten sich mindestens ebenso vor Hunger wie vor dem Virus. Quarantäne-Maßnahmen sind häufig kaum umsetzbar. Viele Menschen auf engem Raum sind die Normalität in den armen Bevölkerungsschichten. Oft gibt es weder fließendes Wasser noch Seife oder gar Desinfektionsmittel. Das Risiko, dass die Menschen aus Hunger die Quarantäne verletzen, ist real.

Gesundheitssysteme völlig überlastet

Ganz zu schweigen von der Möglichkeit bei einer Erkrankung ärztliche Hilfe zu bekommen. Öffentliche Krankenhäuser sind für viele nicht erreichbar. Die Ressourcen und Ausstattungen mit Krankenhäusern, Intensivbetten und medizinischem Personal sind in den meisten Ländern Lateinamerikas meilenweit von den westlichen Standards entfernt. Schon ohne Corona gibt es keine ausreichende Versorgung der Bevölkerung. Beispielsweise in Peru stehen 685 Betten mit intensivmedizinischer Ausrüstung für 31 Millionen Menschen zur Verfügung, in Bolivien sind es 323 für 11,3 Millionen Einwohner. In den ärmsten Ländern wie Honduras, El Salvador, Haiti oder Guatemala sieht es noch sehr viel düsterer aus.

nph-Kinderdörfer: Selbstversorgung gibt Sicherheit

Da die meisten Menschen in Lateinamerika in den vergangenen Jahren immer wieder schlimme Krisen erleben mussten und oft staatliche Hilfe ausbleibt, haben sie gelernt, sich selbst zu helfen. Sie sind Meister der Eigeninitiative, ohne die sie oft nicht überleben könnten. Diese Einstellung prägt auch das Leben in den  Kinderdörfern von nph und ist existentiell. Die Verantwortlichen von nph erwarten erhebliche Versorgungsengpässe und medizinische Notlagen. Deshalb werden die Vorräte in den Kinderdörfern aufgestockt, um die nächsten Monate möglichst ohne Kontakt nach außen zu überstehen. Eine extreme Kraftanstrengung, auch aus  finanzieller Sicht.

nph Honduras mit eigenem Bauernhof

Noch größere Bedeutung hat in diesen Zeiten die Selbstversorgungslandwirtschaft in den Kinderdörfern, um alle mit frischen, gesunden Lebensmitteln versorgen zu können. So gibt es beispielsweise im Kinderdorf „Casa San Andres“ in Guatemala eine eigene Landwirtschaft mit Tierhaltung und Gemüseanbau. Auch nph Honduras betreibt einen eigenen Bauernhof mit Milchkühen, Rindern, Schweinen und Ziegen. Das sichert die Versorgung der Kinder mit Fleisch und Wurst. In einer eigenen Käserei wird Käse produziert und auch Obst und Gemüse angebaut. Inzwischen liefert die eigene Landwirtschaft 80% der im Kinderdorf benötigten Lebensmittel. In Peru baut nph auf zwei Hektar Ackerland Mais mit einem Ertrag von 70 Tonnen pro Jahr an. Das trägt erheblich zur Ernährung der Kinder bei. In Mexico werden auf 21 ha Mais angebaut, um täglich 3.000 Tortillas herzustellen, aber auch um die eigenen Schweine, Schafe und Hühner zu füttern. In drei Gewächshäusern wird Gemüse angebaut. Auch hier wird ein großer Teil des Bedarfs aus der eigenen Produktion gedeckt. In Haiti sichern mehrere solarbetriebene Wasseraufbereitungsanlagen die Qualität des Trinkwassers und eine kleine Landwirtschaft liefert frisches Gemüse. Ansonsten muss auf die monatelange Bevorratung der Lebensmittel zugegriffen werden.

Gerade jetzt ist globale Solidarität notwendig

Vieles bleibt trotz Eigeninitiative und großer Motivation der nph-Mitarbeiter äußerst schwierig und unsicher. Wir alle empfinden die Situation als bedrohlich. Verständlicherweise ziehen sich die Menschen auf ihre persönliche Situation und die Staaten auf ihre nationalen Belange zurück. Aber gerade jetzt bedarf es einer globalen Solidarität. Trotz der Anspannungen und limitierten Ressourcen ist es wichtig, dass wir ärmere Regionen der Erde unterstützen. 

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