Stuttgart (dpa/lk) – Die Zahl der Corona-Patienten auf Intensivstationen könnte wieder dramatisch steigen, sagt das Landesgesundheitsamt. Das Land Baden-Württemberg will darauf vorbereitet sein und plant für den Fall einer dramatischen Zunahme von Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen Einschränkungen für Ungeimpfte.
Ein Sprecher des Sozialministeriums bestätigte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur: „Die Landesregierung bereitet für den Eingriffs-Fall bereits jetzt eine entsprechende Corona-Verordnung vor, die unmittelbar in Kraft treten kann.“ Er erklärte weiter: „Diese wird insbesondere Restriktionen für Ungeimpfte beinhalten, da das Infektionsgeschehen und die damit verbundene Auslastung der Intensivstationen maßgeblich durch diese Gruppe bestimmt wird.“ Solche Eingriffe für Ungeimpfte gelten als rechtlich nicht unproblematisch.
Der Entwurf solle in der kommenden Woche in der grün-schwarzen Regierung abgestimmt werden. Die Länder müssen reagieren, weil der Bund angekündigt hat, die 50er-Inzidenz als Leitwert aus dem Infektionsschutzgesetz zu streichen. Über mögliche neue Grenzwerte und Indikatoren werde derzeit intensiv zwischen Bund und Ländern diskutiert, sagte der Sprecher des Sozialministeriums. Es werde aber künftig „Alarmwerte“ geben, ab denen eingegriffen werden müsse.
Die Zahl der Corona-Ansteckungen stieg indes im Südwesten weiter sprunghaft an. Allerdings hatte sich Baden-Württemberg schon vor knapp zwei Wochen von der Sieben-Tage-Inzidenz als alleinigem Gradmesser für Einschränkungen verabschiedet. Sofern die Krankenhäuser noch genug Platz für Corona-Patienten haben, sind keine größeren Beschränkungen mehr geplant. Als Grenzwert wird dem Vernehmen nach die Belegung von etwa 300 Intensivbetten diskutiert. Auf dem Hoch der zweiten und dritten Corona-Welle seien 640 Intensivbetten belegt gewesen, sagte Stefan Brockmann, Chef-Virologe des Landesgesundheitsamts, der dpa. Nach einer Prognose des Landesgesundheitsamts könnten schon in knapp zwei Wochen mehr als 300 Intensivbetten belegt sein.
Zeitgleich steigt die Zahl der Menschen im Südwesten, die sich während der Urlaubszeit bei einer Reise ins Ausland mit dem Coronavirus angesteckt haben, stark an. Innerhalb der vergangenen zwei Schulferien-Wochen registrierte das Landesgesundheitsamt 2.294 Infizierte, die sich womöglich im Ausland angesteckt haben. Seit Juni gab es 3.710 solcher Fälle. Am häufigsten kamen Menschen aus dem Kosovo mit einer Infektion zurück, insgesamt 773. 583 haben sich wahrscheinlich in der Türkei angesteckt, 426 in Kroatien, 241 in Spanien und 209 in Italien.
Außerdem hat das Landesgesundheitsamt erstmals Zahlen für sogenannte Corona-Impfdurchbrüche in Baden-Württemberg ermittelt. Demnach sind zwischen Donnerstag vergangener Woche und diesem Donnerstag etwa 670 Menschen an Covid-19 erkrankt, die entweder zweimal oder mit Johnson&Johnson geimpft waren, teilte das Gesundheitsministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Das entspricht einer Sieben-Tages-Inzidenz von 10,1 (Stand Donnerstag 12.00 Uhr). Für diese Berechnung wird die Zahl der trotz Impfung Erkrankten mit der Zahl der schon vollständig Geimpften in Bezug gesetzt. Zum Vergleich: Die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Ungeimpften liegt demnach bei 122,5. Das entspricht über 4.000 Erkrankten bei etwa 4,5 Millionen Menschen, die noch nicht geimpft sind. In Baden-Württemberg haben etwa 6,5 Millionen Menschen den vollständigen Impfschutz.
Die Zahlen zeigten, wie wichtig es sei, sich impfen zu lassen, erklärte Stefan Brockmann, Chef-Virologe des Landesgesundheitsamts, der dpa. Dass es zu einigen Impfdurchbrüchen komme, sei bei der geschätzten Wirksamkeit der Impfstoffe von durchschnittlich 90 Prozent normal. Das Gesundheitsministerium erklärte dazu, der Anstieg der Inzidenz sei zu erwarten gewesen und werde sich wegen der grassierenden Delta-Variante fortsetzen. Hauptgrund sei, dass immer noch zu wenige Menschen geimpft seien. „Denn das Virus verbreitet sich derzeit fast nur unter der nicht-geimpften Bevölkerung. Auch auf den Intensivstationen in Baden-Württemberg liegen derzeit überwiegend Corona-Patientinnen und Patienten, die keinen Impfschutz haben“, sagte ein Sprecher.