Pforzheim/Calw (dpa/lk) – In einigen Regionen laufen die Infektionszahlen seit Wochen aus dem Ruder. Lange hat es gedauert – doch jetzt hat sich die Landesregierung endlich auf harte Maßnahmen geeinigt, um die Pandemie in den Kommunen wieder in den Griff zu kriegen. Dazu gehören auch nächtliche Ausgangssperren. Bürger dürfen künftig nachts nur noch mit triftigen Gründen das Haus verlassen, wie beispielsweise medizinische Notfälle oder aus Arbeitsgründen. Bei uns in der neue welle Region sind die Stadt Pforzheim und der Kreis Calw von den Maßnahmen akut betroffen.
In Corona-Hotspots im Südwesten dürfen die Bürger künftig nachts nur noch mit triftigen Gründen das Haus verlassen. Die baden-württembergische Landesregierung hat am Freitag einen Erlass für Kreise mit mehr als 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner beschlossen. Ausnahmen für die nächtliche Ausgangssperre gelten etwa für medizinische Notfälle oder aus Arbeitsgründen. Im öffentlichen und privaten Raum dürfen sich nur noch zwei Haushalte mit maximal fünf Personen treffen. Alle Veranstaltungen, bis auf religiöse Veranstaltungen, Gerichtstermine oder Gemeinderatssitzungen, sind verboten. Friseurbetriebe sowie Barbershops und Sonnenstudios werden geschlossen.
In Mannheim, Pforzheim, Calw, Heilbronn, Lörrach, Tuttlingen und dem Schwarzwald-Baar-Kreis liegt der sogenannte Sieben-Tages-Inzidenzwert, also die Zahl der Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner binnen einer Woche, aktuell über der Marke von 200. Mehr als eine Million Baden-Württemberger leben in diesen Hotspots. Die Details der Ausgangsbeschränkung will das Sozialministerium in einem Erlass regeln. Nächste Woche sollen die neuen Regeln in Kraft treten, sagte ein Regierungssprecher der dpa. Im Erlass sollen auch weitere Einschränkungen in den Hotspot-Gebieten geregelt werden, wie etwa Veranstaltungsverbote. Derzeit hat Pforzheim mit 270 den höchsten Wert im Land, der Landkreis Calw hat eine Inzidenz von knapp 219. Bereits am Wochenende treten hier nächtliche Ausgangssperren in Kraft. Außerdem werden Verkaufsaktionen im Handel untersagt, bei denen besonders viele Kunden in die Läden der Innenstädte gelockt werden.
Das Landratsamt Calw hat schon reagiert und eine neue Verfügung erlassen, die ab Samstag in Kraft tritt. Schulen sollen dann zum Hybridsystem aus Digital- und Präsenzunterricht wechseln. Pflegeheime sollen mit FFP2-Masken und Corona-Schnelltests versorgt werden, Besuche bleiben aber vorerst erlaubt. Kritik kommt von Pforzheims Oberbürgermeister Peter Boch, da sich die Landesregierung mit dem Erlass so viel Zeit gelassen hatte. Die sogenannten Hotspots würden in der Luft hängen gelassen, so Boch. „Es ist schlicht unverantwortlich, dass das zuständige Sozialministerium so lange braucht“, hieß es in einem schriftlichen Statement. Pforzheim zählte quasi von Beginn der zweiten Welle an zu den Stadt- und Landkreisen im Südwesten mit der höchsten Belastung. „Das Geschehen bei uns ist diffus“, teilt ein Stadtsprecher mit. „Allenfalls bei den Heimen zeichnet sich eine Zunahme ab.“
Lange bevor sich die grün-schwarze Landesregierung auf eine Hotspot-Strategie einigen konnte, hatte bereits am Donnerstag der Mannheimer Oberbürgermeister Peter Kurz wegen ausufernder Corona-Infektionszahlen nächtliche Ausgangsbeschränkungen für seine Stadt angekündigt. Diese sollen ab Freitagabend in Kraft treten und für acht Tage bis zum 14. Dezember zwischen 21:00 und 5:00 Uhr gelten. Bei einem Verstoß gegen die Regelung sei mit einem Bußgeld zu rechnen. Die Polizei plant in Mannheim mobile und stationäre Kontrollen. Die Kräfte würden für die Kontrollen „massiv gestärkt“. Zudem werden in Mannheim sämtliche Sportstätten geschlossen, auch für den Schulsport. Alle nicht religiösen Veranstaltungen werden verboten, es bleiben etwa Demos und Beerdigungen erlaubt.
Auch in der Nachbarstadt Ludwigshafen und in Speyer wird es nächtliche Ausgangsbeschränkungen geben. Außerdem sollen in Speyer die Regelungen für die Altenheime weiter verschärft werden.
Ebenfalls strengere Maßnahmen haben bereits der Landkreis Tuttlingen und der Schwarzwald-Baar-Kreis angekündigt. Öffentlich und privat darf sich ab Samstag dort nur noch ein Haushalt mit einer weiteren Person treffen, maximal fünf Personen. So steht es in den Allgemeinverfügungen der beide Kreise, die am Freitag veröffentlicht wurden. Veranstaltungen sind mit wenigen Ausnahmen untersagt. An Beerdigungen dürfen nur noch 50 Personen teilnehmen. Krankenhäuser und Pflegeheime dürfen nur noch nach Antigentest oder mit FFP2-Maske besucht werden. Die Maskenpflicht wird außerdem in beiden Kreisen verschärft. Die neuen Regeln sollen bis zum 20. Dezember gelten.
Das Land stellte zudem möglicherweise stärker entzerrte Unterrichtszeiten zur Debatte, um überfüllte Schulbusse zu vermeiden. Der Corona-Lenkungskreis teilte mit, dass Verkehrsministerium und Kultusministerium zusammen mit den kommunalen Landesverbänden und dem Verband Württembergischer Omnibusunternehmen bei einem runden Tisch klären wollen, wie der Unterricht besser gestaffelt und die Buskapazitäten erhöht werden können. Das Land fördert bereits seit Beginn des Schuljahres zusätzliche Schulbusse, um die Ansteckungsgefahr auf dem Schulweg zu verringern. Die Förderung soll im nächsten Jahr fortgesetzt werden.