KSC-Fanprojekt-Mitarbeiterin nach Gerichtsverfahren: "Wir lassen uns nicht unterkriegen"

12. November 2024 , 14:00 Uhr

Karlsruhe (dpa/dk) – Die Auseinandersetzung um das Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter sorgt nicht nur in Karlsruhe, sondern auch bundesweit für Aufsehen. Sophia Gerschel und zwei ihrer Kollegen vom Karlsruher Fanprojekt wurden Ende Oktober vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie sich geweigert hatten, als Zeugen auszusagen. Der Vorfall, der zur Verurteilung führte, fand im Zusammenhang mit einem Pyro-Unfall beim Fußballspiel zwischen dem Karlsruher SC und dem FC St. Pauli statt. Ein Pyro-Unfall, der elf Menschen verletzte und die Sozialarbeiter vor ein moralisches Dilemma stellte. Nun kämpfen sie um eine gesetzliche Änderung.

Das Verfahren: Eine emotionale Achterbahn

Gerschel, mittlerweile eine bekannte Figur in vielen deutschen Fanszenen, spricht von einer emotionalen Achterbahn, die sie in den letzten Wochen durchlebt hat. In einem Interview erklärt sie, dass ihre Arbeit nicht darauf abzielte, Täter zu schützen, sondern dass sie als Sozialarbeiterin das Vertrauen der Ratsuchenden wahren müsse. „Es geht darum, die Arbeit zu schützen“, betont sie. Die Strafe für ihre Weigerung, vor Gericht auszusagen, sieht sie als Angriff auf die Vertrauensbasis ihrer Arbeit. Sie kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen: „Das werden wir nicht akzeptieren.“

Ein Fall, der Fragen aufwirft

Der Fall sorgt auch über die Karlsruher Grenzen hinaus für Diskussionen und stellt grundsätzliche Fragen zu den Rechten von Sozialarbeitern und der Rolle der Ermittlungsbehörden. Wie weit darf das Strafrecht gehen, um die Vertrauensbeziehung in sozialen Berufen zu beeinträchtigen? Was bedeutet das für die rund 68 Fanprojekte in Deutschland, die ähnliche Herausforderungen zu bewältigen haben?

Verunsicherung in der sozialen Arbeit

In vielen Fanprojekten herrscht Verunsicherung. Michael Gabriel von der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) berichtet, dass die Unsicherheit durch das Karlsruher Urteil viele Mitarbeiter dazu bringt, sich von potenziell konfliktbeladenen Situationen fernzuhalten. Das Risiko, selbst in eine ähnliche rechtliche Lage zu geraten, führe dazu, dass einige Fachkräfte ihre Arbeit aufgeben oder sich verstärkt in weniger heikle Bereiche begeben. Auch Daniel Melchien, Vorsitzender des Stadtjugendausschusses in Karlsruhe, warnt vor den Folgen für den ohnehin bestehenden Personalmangel in der sozialen Arbeit: „Wir können uns keinen weiteren Verlust von Fachkräften leisten.“

Das Zeugnisverweigerungsrecht und die Politik

Der rechtliche Rahmen für Sozialarbeiter wird in Deutschland durch das Zeugnisverweigerungsrecht (ZVR) geregelt, das bislang nur für bestimmte Berufsgruppen wie Journalisten oder Ärzte gilt. Die Diskussion darüber, ob dieses Recht auf Sozialarbeiter ausgeweitet werden sollte, ist jedoch politisch umstritten. Während einige Sport- und Sozialpolitiker eine Erweiterung des ZVR befürworten, lehnen Innenpolitiker und Teile der konservativen Parteien dies ab. Die Bundesregierung unterstrich kürzlich die Wichtigkeit einer effektiven Strafverfolgung, die durch Ausnahmen beim ZVR beeinträchtigt werden könnte.

Der Ruf nach Veränderung

Für Gerschel und ihre Kollegen ist der Fall eine klare Aufforderung an die Politik, das Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter gesetzlich zu erweitern, um das Vertrauen der Ratsuchenden zu wahren und die Arbeit der Sozialen Arbeit zu schützen. „Es muss politisch deutlich gemacht werden, welche Bedeutung soziale Arbeit hat“, fordert Gerschel. Das Urteil aus Karlsruhe könnte der Anstoß für eine landesweite Debatte sein, die nicht nur die sozialen Projekte im Fußball, sondern alle sozialen Sektoren betrifft.

Gerschels Abschied aus dem Fanprojekt

Obwohl der Fall für Gerschel eine enorme Belastung darstellt, hat sie entschieden, ihre Arbeit im Fanprojekt zum Ende des Jahres zu beenden. „Es sind pädagogische und fachliche Gründe, die dazu geführt haben“, erklärt sie. Der Abschied von ihrem „Traumjob“ fällt ihr dennoch nicht leicht, aber sie bleibt optimistisch: „Der Kampf geht weiter – auch um das Zeugnisverweigerungsrecht.“

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