Stuttgart (dpa/lsw) – Wegen der Folgen des Ukraine-Kriegs werden die Menschen sich einschränken müssen – da ist sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann sicher. „Vielleicht müssen wir auch mehr arbeiten“, orakelt der Regierungschef.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat längere Arbeitszeiten für Lehrkräfte ins Gespräch gebracht, um eine bessere Bildung im Land zu gewährleisten. „Vielleicht müssen wir auch mehr arbeiten“, gab Kretschmann am Montagabend bei einer Podiumsdiskussion zu bedenken. Zum Beispiel seien sehr viele Lehrkräfte Frauen und viele von ihnen arbeiteten in Teilzeit. „Wenn die alle eine Stunde mehr arbeiten würden, eine Stunde, hätte ich 1.000 Lehrer mehr, die ich dringend brauche“, erklärte der Grünen-Politiker. „Auch das wird vielleicht ein Thema sein.“
Die Schule habe eine zentrale Rolle beim Kampf gegen den Fachkräftemangel, der schon jetzt ein großes Problem in Baden-Württemberg sei. „Da müssen wir mehr reinstecken.“ Lehrkräfte haben je nach Schulart eine etwas unterschiedliche Wochenarbeitszeit. Pädagogen in Grundschulen arbeiten 28 Stunden in der Woche, in Haupt- und Realschulen 27 Stunden, in Gymnasien 25 Stunden. Vor allem in Grundschulen ist der Anteil der Lehrerinnen sehr groß. Im Südwesten gibt es gut 110.000 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen.
Monika Stein, Landeschefin der Bildungsgewerkschaft GEW, zeigte sich empört über Kretschmanns Vorschlag. „Das ist total daneben“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. „Die Teilzeit-Lehrkräfte arbeiten nicht deshalb weniger, weil es Spaß macht, weniger Geld zu verdienen, sondern weil es für sie notwendig ist Teilzeit zu arbeiten, damit sie ihren Beruf gut ausüben können.“ Es gehe dabei auch darum, Familie und Job unter einen Hut zu bringen.
Nach zwei Jahren Pandemie mit übermäßiger Belastung seien viele Lehrkräfte sowie Schulleitungen mit ihren Kräften sowieso schon am Ende, sagte die Gewerkschafterin. Jetzt kämen noch Kinder und Jugendliche dazu, die aus der Ukraine geflüchtet sind. „Wenn ich die Belastung weiter erhöhe, werden deutlich mehr Lehrkräfte ausfallen“, warnte Stein. Immerhin habe der Ministerpräsident aber einen Erkenntnisgewinn gehabt. „Herzlichen Glückwunsch, Herr Kretschmann, dass Sie jetzt nach elf Jahren Regierungszeit merken, dass Sie einen Lehrkräftemangel haben.“ Den habe die GEW immer vorausgesagt.
Bei der Podiumsdiskussion zeigte sich Kretschmann überzeugt, dass der Staat nicht alle wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs für deutsche Verbraucher abfedern kann. „Es wird nicht ohne Einschränkungen gehen.“ Vor zehn Jahren sei der Wohlstand deutlich niedriger gewesen als heute und trotzdem hätten die Menschen damals nicht „auf den Bäumen“ gelebt. „Man muss jetzt nicht so tun, als seien materielle Wohlstandseinbußen gleich irgendetwas, das ans Wohlbefinden geht.“ Kretschmann ergänzte mit Blick auf höhere Heiz- und Benzinkosten: „Für Leute, die das wirklich schwer trifft, weil sie eh geringe Einkommen haben, dafür haben wir einen ausgebauten Sozialstaat, der da tätig werden muss.“
Der Grüne sprach sich gegen „Gießkannenwohltaten“ aus. „Jetzt das Benzin für alle billiger zu machen, das kann nicht die Lösung sein“, sagte Kretschmann. „Damit kann ich mich wirklich nicht befreunden.“ Stattdessen müsse man zum Beispiel in die Energiewende investieren, um sich unabhängiger von russischem Gas zu machen.
Beim Ausbau der Windkraft will Kretschmann noch starker aufs Tempo drücken als bisher. Der Zeitraum von der Planung bis zum Bau eines Windparks müsse auf zwei Jahre verkürzt werden. Der Ministerpräsident sagte, der Druck, schnell auf erneuerbare Energien umzusteigen, habe sich durch den Ukraine-Krieg nochmal verdoppelt. „Jede Ausrede wird auf Durchzug gestellt.“ Kretschmann wolle, „dass das flutscht“. Der Südwesten hat auch nach zehn Jahren grüner Regierung noch großen Rückstand beim Ausbau der Windkraft. Im ersten Quartal wurden drei Windkraftanlagen gebaut, nötig seien aber 100 im Jahr, meinte Kretschmann.