Stuttgart (dpa/lk) – Angesichts der wieder steigenden Corona-Infektionszahlen hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann die neuen Corona-Regeln von Bund und Ländern verteidigt und an die Verantwortung jedes Einzelnen appelliert. Das Land stehe „an einer Wegscheide“, sagte der Grünen-Politiker am Donnerstag nach Beratungen der Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Infektionszahlen hätten ein gefährliches Niveau erreicht und drohten den Erfolg der ersten Jahreshälfte im Kampf gegen die Pandemie zu zerstören. „Das Virus macht keine Sommerpause, es ist immer noch da“, sagte Kretschmann.
Die zweite Hälfte des Jahres werde nicht leichter werden als die ersten sechs Monate, warnte er in einer Video-Stellungnahme. Die Infektionszahlen müssten zwingend zurückgehen, um die Lockerungen der vergangenen Wochen nicht zu gefährden. Erfolgreich könne dieser Weg nur sein, wenn die Menschen auf sich und auf andere achteten. „Zusammenhalt ist unser größter Trumpf“, sagte Kretschmann. „Die Jungen tragen eine besondere Verantwortung für die Älteren und andere Risikogruppen.“
Die Ministerpräsidenten der Länder hatten am Donnerstag erstmals seit Juni mit Kanzlerin Angela Merkel über eine gemeinsame Linie im Kampf gegen die Corona-Pandemie beraten. Dabei hatten sich die Länder unter anderem darauf geeinigt, dass Großveranstaltungen bis 31. Dezember 2020 ausfallen und bei Verstößen gegen die Maskenpflicht ein Bußgeld von mindestens 50 Euro droht – überall abgesehen von Sachsen-Anhalt. Bei den umstrittenen Feierlichkeiten im Familien- und Freundeskreis hatten sie sich dagegen nicht auf bundesweit geltende Obergrenzen für Teilnehmerzahlen einigen können.
Die Zahl der seit Beginn der Pandemie nachweislich mit dem Coronavirus Infizierten stieg in Baden-Württemberg auf mindestens 41.247. Das sind 283 Menschen mehr als am Vortag, wie aus Zahlen des Landesgesundheitsamtes vom Donnerstag (Stand: 16.00 Uhr) hervorgeht. Die Zahl der neuen Fälle steige seit gut einem Monat stetig. Auffällig seien viele jüngere Infizierte sowie viele Menschen, die sich vermutlich im Ausland infiziert hätten. In den vergangenen beiden Wochen hätten sich rund 58 Prozent der neuinfizierten Menschen wahrscheinlich im Ausland angesteckt. Zudem habe es mehrere kleinere familiäre Ausbrüche gegeben, die teils auch von Reiserückkehrern ausgelöst worden seien.
Heilbronn bleibt als einzige baden-württembergische Kommune über der kritischen Marke von 35 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben Tage; ab diesem Wert gilt eine Vorwarnstufe. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Heilbronn liegt inzwischen bei knapp 39,6 Fällen pro 100.000 Einwohner. Nicht mehr allzu weit weg von diesem Wert ist Ulm (32,4).
In Baden-Württemberg werde nun zwar wie in weiten Teilen Deutschlands auch ein Bußgeld von mindestens 50 statt wie bislang 25 Euro erhoben, wenn eine Maske nicht wie vorgeschrieben getragen wird, sagte Kretschmann. Allerdings will Bayern bei der deutlich schärferen Strafe von 250 bis 500 Euro in seinem Land zu bleiben. Die neuen Beschlüsse haben allerdings keine Auswirkung auf das im Südwesten geltende Mindestbußgeld für Verstöße gegen die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen: Dieses liegt weiter bei 100 Euro. Innenminister Thomas Strobl sagte: „In manchen Ländern ist das Bußgeld lächerlich wenig. Wer keine Maske trägt, gefährdet andere Menschen. Deshalb braucht es auch eine anständige Sanktion. 50 Euro sind als Mindesthöhe okay – richtig ist es bei uns in Baden-Württemberg, wo bis zu 250 Euro fällig werden können.“