Stuttgart (dpa/lk) – Weil mit den Ländern nichts vorangeht, nimmt der Bund nun das Management der Corona-Krise in die Hand. Kretschmann regt sich indes über „Einheitswahn“ auf – und rechtfertigt, warum sich Baden-Württemberg nicht ganz an die Notbremsen-Regeln hält.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat das Abweichen des Landes von den von Bund und Ländern einst beschlossenen Kontaktregeln der „Notbremse“ verteidigt. Materiell würde diese Regelung nicht groß etwas ändern, sagte er am Samstag am Rande eines Parteitags des Südwest-Grünen in Heilbronn. „Ein Ehepaar kann nur allein seine Kinder besuchen, sie sind aber zu Hause zusammen. Das ist jetzt pandemisch nicht groß der Unterschied.“ Es könne durchaus Unterschiede in der Pandemiebekämpfung geben, da auch die Inzidenzen unterschiedlich seien, sagte Kretschmann. „Diesen Einheitswahn teile ich überhaupt nicht.“ Wichtig sei, dass man bei zentralen Dingen zusammenbleibe. Kleine Abweichungen spielten pandemisch keine Rolle.
In Baden-Württemberg dürfen sich derzeit auch in Regionen mit hohen Inzidenzen zwei Haushalte mit bis zu fünf Personen treffen. Nach der „Notbremsen“-Vereinbarung von Bund und Ländern darf sich allerdings in Kreisen mit mehr als 100 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in einer Woche nur ein Haushalt mit einer weiteren Person treffen. Kinder bis 14 Jahren werden jeweils nicht mitgezählt.
Angesichts steigender Neuinfektionszahlen und einer zunehmenden Belastung auf den Intensivstationen sollen am kommenden Montag nicht wie geplant Bund und Länder gemeinsam über neue Maßnahmen in der Corona-Krise entscheiden. Stattdessen sollen Bundestag und Bundesrat im Eilverfahren das Infektionsschutzgesetz nachschärfen. Ziel sei es, bundesweit einheitliche Regelungen für Regionen mit hohen Infektionszahlen zu schaffen. Die Änderung solle schon in der kommenden Woche vom Kabinett beschlossen werden. Dessen Sitzung werde von Mittwoch auf Dienstag vorgezogen.
„Wenn der Bund das macht, gilt das und dann machen wir das“, sagte Kretschmann. „Und dann sind die Deutschen sehr froh, dass alles genau gleich geschieht.“ In dem Bundesgesetz werde nichts stehen, was man nicht sowieso schon mache mit der „Notbremse“. Der Grüne sieht auch den Föderalismus nicht bedroht, da sich das Vorgehen des Bundes nur auf die Bekämpfung der Pandemie beziehe. Die Ministerpräsidentenkonferenz habe nicht sehr einheitlich in den vergangenen Sitzungen gehandelt und trage deshalb eine Mitschuld daran. Viele Länder hätten sich nicht an die Beschlüsse gehalten.
Gleichzeitig verteidigte Kretschmann das Vorgehen und die Beschlüsse der Bund-Länder-Schalten. Er widersprach der Wahrnehmung, die Ministerpräsidentenkonferenz habe versagt. „Lediglich bei dieser Osterruhe mussten wir zurückrudern.“ Aber immerhin habe man den Fehler korrigiert, bevor er entstanden sei. „Ansonsten hat die MPK uns bisher ganz ordentlich durch Krise gebracht.“ Nirgendwo werde fehlerfrei regiert. „In welchem vergleichbaren Industrieland läuft es besser als in Deutschland – mir ist es nicht bekannt. So schlecht war das wohl nicht. Das ist vielleicht gefühlt so aber tatsächlich keineswegs.“ Es sei nun wichtig, die Pandemie zu bekämpfen und nicht Metadebatten über Föderalismus zu führen. Es sei wichtig, in den Bereichen Arbeitsplatz, Schule, private Treffen einheitlich zu handeln. „Das wird jetzt der Bund regeln und dann machen wir das brav und artig alles so, wie der Bundestag das für richtig hält.“