Stuttgart (dpa/lk) – Wie sich die Zeiten ändern. Es ist noch nicht so lange her, da galt eine 7-Tages-Inzidenz von 50 als gefährlich. Mittlerweile steigen die Neuinfektionen auf immer neue Rekordwerte. Erst Mitte Februar soll der Höhepunkt der Omikron-Welle erreicht sein. Doch Omikron hat im Vergleich zur Delta-Variante einen Vorteil: Die Erkrankungen verlaufen milder, deutlich weniger Menschen müssen auf die Intensivstation. Das klingt, als könnten die Ministerpräsidenten bei ihrem Treffen am Montag Lockerungen beschließen. Trotz Kretschmanns großer Skepsis spricht vor dem Bund-Länder-Treffen einiges dafür. Doch was ist, wenn Mitte Februar mehrere hunderttausend Menschen am Tag infiziert werden? Bricht das Gesundheitswesen dann zusammen?
Der Südwesten liegt mit einer Inzidenz von etwa 700 im Mittelfeld der Bundesländer. Doch seit die Mehrheit der Menschen geimpft ist, ist die Inzidenz nicht mehr der wichtigste Maßstab für die Corona-Regeln. Das Land schaut vielmehr auf die Belastung der Krankenhäuser. Zum einen auf die Hospitalisierungsinzidenz – sie gibt an, wie viele Corona-Infizierte innerhalb einer Woche und pro 100.000 Einwohner in Krankenhäuser gebracht werden. Wichtig ist auch noch die Zahl der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen. Dieser Wert ist zuletzt deutlich gesunken, was eben einen Hinweis auf die größere Milde der Omikron-Variante gibt. Die Einlieferungen in die Klinik sind aber zuletzt wieder etwas gestiegen. Was heißt das jetzt, ist das nur die Ruhe vor dem nächsten Sturm?
Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seine Regierung sind in einer Zwickmühle. Sie müssen spätestens Ende Januar ihre Verordnung aktualisieren – also zwei Wochen bevor die Omikron-Welle mutmaßlich ihren höchsten Pegel erreichen soll. Doch wenn sie sich an ihr eigenes Stufensystem halten will, muss die Regierung auf die relative Entspannung auf den Intensivstationen und in den Kliniken reagieren. Bisher ist Grün-Schwarz dieser Frage aus dem Weg gegangen, indem man am 12. Januar die Alarmstufe II mit zahlreichen Einschränkungen für Ungeimpfte einfach eingefroren hat. So konnte man auch gewährleisten, dass der Beschluss der Ministerpräsidenten für 2G plus etwa in Restaurants eingehalten werden konnte. Das heißt, dass Geimpfte, die nicht geboostert sind, sich zusätzlich testen lassen müssen. Doch was politisch eingefroren wird, muss auch irgendwann wieder aufgetaut werden – darauf achtet schon die Justiz.
Klar ist, dass die Landesregierung Mitte nächster Woche zu ihrem Stufensystem zurückkehrt. Nachdem der Verwaltungsgerichtshof ihr das auch noch mal ins Stammbuch geschrieben hat, wurden die internen Pläne beschleunigt. Die Richter wurden recht deutlich: Erhebliche Grundrechtsbeschränkungen könnten „nicht abgekoppelt von der Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz angeordnet werden“. So wie es jetzt aussieht, gilt demnächst also nur noch die zweithöchste Stufe, die normale Alarmstufe. Und die wäre mit einigen Lockerungen verbunden. Ein großes Aber: Die Regierung behält sich vor, nach der Ministerpräsidentenkonferenz die bisher vorgesehenen Regeln der Alarmstufe zu verändern. Das könnte innerhalb der Stufe auch Verschärfungen bedeuten.
Nach den bisherigen Regeln in der normalen Alarmstufe könnten Messen und Ausstellungen unter 2G-Bedingungen wieder öffnen. Dasselbe gilt für Clubs und Diskotheken. Dem Vernehmen nach steht hinter beiden Dingen zumindest ein Fragezeichen. Viele Fußballfans fragen sich natürlich auch, ob sie mal wieder ins Stadion dürfen. In der normalen Alarmstufe dürfte ein Stadion wieder zur Hälfte ausgelastet sein, allerdings höchstens bis zu 25.000 Zuschauer. Auch eine solche Lockerung dürfte in der Runde der Ministerpräsidenten mit Kanzler Olaf Scholz für Debatten sorgen. CSU-Chef Markus Söder will jedenfalls im Profisport wieder mehr Zuschauer zulassen.
Zuletzt trat der Grünen-Regierungschef ziemlich auf die Bremse. Die Daten zu Omikron seien noch nicht belastbar, wahrscheinlich auch noch nicht vor der Schalte mit seinen Kolleginnen und Kollegen. Er bleibe „auf dem Pfad der Vorsicht“, versicherte er jüngst bei einem Firmenbesuch. Seine Hauptsorge: Wenn sich sehr viele Menschen zugleich infizieren, könne sich die Lage auf den Intensivstationen der Kliniken wieder verschärfen. „Mache ich es zu locker, dann freut sich das Virus.“
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