Kretschmann blickt auf 2022: «Mein schwierigstes Jahr bisher»

27. Dezember 2022 , 06:17 Uhr

Corona und die Ukraine, die dramatisch steigenden Energiepreise und der Streit ums Geld mit den Kommunen, natürlich auch die scharfe Kritik am Zustand der Schulen im Land: Das nun endende Krisenjahr 2022 war nach Einschätzung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann das problematischste und herausforderndste Jahr seiner elfjährigen Amtszeit. «Das war aufgrund der Krisen mein schwierigstes Jahr bisher», sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. «Die vielen Krisen auf einmal führen einen schon an die Grenzen.» Wegen des russischen Angriffskrieges habe man sich komplett neu aufstellen müssen in der Politik. Die Herausforderung für den Staat sei sogar noch größer als in der Zeit der Corona-Pandemie, sagte er mit Verweis auf die hohen Flüchtlingszahlen aus der Ukraine und aus anderen Ländern.

«Wir wussten zu wenig über das Virus.»

Dafür sei die Unsicherheit in der Pandemie größer gewesen, sagte Kretschmann: «Wir wussten zu wenig über das Virus.» Im Rückblick hätte man so manches nicht gemacht im Kampf gegen Corona, sagte er etwa mit Blick auf Kollateralschäden im Bildungsbereich. «Aber jetzt ist die Herausforderung größer.» Putin setze die Kälte im Winter als Waffe ein. Wenn nochmal eine große Flüchtlingswelle komme, sei das eine große Herausforderung fürs Land. Die Unsicherheit des Krieges halte einen immer unter Spannung, sagte Kretschmann. «Da kann man sich nicht entspannen.»

Lob für Engagement der Bevölkerung bei der Hilfe in der Flüchtlingskrise

Der Ministerpräsident lobte das Engagement der Bevölkerung bei der Hilfe in der Flüchtlingskrise. Die Solidaritätswelle der Bürger habe viel möglich gemacht und ihn beeindruckt, etwa dass etliche private Wohnungen zur Verfügung gestellt worden seien. Er gehe auch mit einer gewissen Zuversicht ins neue Jahr, weil die Gesellschaft zusammenhalte, sagte Kretschmann. Wenn eine Bevölkerung zusammenstehe, könne sie jede Krise stemmen. Kretschmann zeigte sich auch zufrieden mit der Arbeit seiner Landesregierung: 2022 sei zwar anstrengend gewesen, aber man sei trotzdem nie in einer Situation gewesen, wo man nicht mehr gewusst habe, wie es weitergehen soll.

Fokus 2023 auf die Bildungspolitik

Für das neue Jahr kündigte der Regierungschef einen Fokus auf die Bildungspolitik an. Man dürfe trotz aller Krisen das Wichtige nicht immer hinter dem Dringlichen anstellen, sagte er. Im ersten Quartal wolle er sich besonders mit der Bildungspolitik beschäftigen. Hintergrund: Das einstige Bildungsmusterland Baden-Württemberg ist im Ranking der Bundesländer deutlich abgerutscht. Erst am Donnerstag wurde eine Studie veröffentlicht, wonach viele Drittklässler im Südwesten nicht mehr die Mindeststandards für den Grundschulabschluss erreichen – sie weisen Defizite in der Rechtschreibung, beim Lesen sowie in Mathematik auf. Bildungsverbände machen immer wieder auf den Lehrermangel aufmerksam und fordern mehr Personal.

«Wir müssen darüber reden, wie Unterricht in Zeiten der Digitalisierung aussieht»

Für Kretschmann, der selbst einst Lehrer war, ist das allerdings nicht die Lösung: «Wir dürfen nicht einfach in den Ruf der Lehrerverbände verfallen «Viel hilft viel»», sagte der Ministerpräsident. «Wir können uns die Lehrer nicht backen. Wir müssen daher wieder inhaltliche statt quantitative Debatten führen.» Er nannte die Schulpolitik einen «ganz langsamen Tanker». «Das, was man da einspeist, dauert lange, bis es auch wirkt», so Kretschmann. «Wir müssen darüber reden, wie Unterricht in Zeiten der Digitalisierung aussieht, wie wir die Möglichkeiten nutzen, die es hier gibt.»

In einem Gespräch mit der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» (Samstag) brachte Kretschmann eine Prämie für die Aufnahme von Geflüchteten in Privathaushalten ins Spiel. «Vielleicht muss man dann auch einen Anreiz schaffen. Es gibt da Ideen wie eine Dankesprämie, dass jeder Haushalt monatlich 500 Euro bekommt, wenn er Flüchtlinge aufnimmt», sagte der Grünen-Politiker.

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