Stuttgart (dpa/jal) – Kinderpornografie wurde 2021 zum Verbrechen hochgestuft. Ein Jahr Praxis zeigt, dass die Folgen auch Jugendliche scharf treffen können bei Taten, die mit Kinderpornografie nichts zu tun haben. Der Richterbund ist alarmiert, auch die Justizministerin sieht Bedarf.
Angesichts des deutlichen Anstiegs von Urteilen gegen junge Menschen wegen Taten, die eigentlich am Kernunrecht von Kinderpornografie vorbeigehen, kann sich auch Justizministerin Marion Gentges (CDU) Korrekturen am Gesetz vorstellen. Grundsätzlich seien die harten Strafen für Kinderpornografie richtig, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Auch das Argument einer belasteten Justiz könne sie nicht gelten lassen. «Für die Frage der Strafbarkeit darf nicht entscheidend sein, was sich die Justiz leisten kann, sondern was rechtlich geboten ist», sagte Gentges. Es sei aber sinnvoll, das Gesetz «weiterzuentwickeln» und in dem Gesetz auch einen minder schweren Fall zu regeln.
Mit einer solchen Möglichkeit gebe es Spielraum, um beispielsweise auf Fälle in Schüler-Chat-Gruppen zu reagieren, bei denen ein Schüler unaufgefordert ein Bild zugeschickt bekomme und es nicht direkt lösche. Denn zum einen werde in diesen Gruppen immer häufiger kinder- und jugendpornografisches Material oft ohne vorhandenes Unrechtsbewusstsein geteilt – zum anderen aber sei den Absendern sehr oft nicht bewusst, dass sie sich strafbar machten. Grund für die Debatte ist das seit Juli 2021 geltende Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Mit ihm ist der Besitz, die Verbreitung und der Erwerb von Kinderpornografie gesetzlich ein Verbrechen. Einstellungen wegen Geringfügigkeit oder unter Auflagen und Weisungen sind damit nicht mehr möglich.
Zuvor hatte auch der Deutsche Richterbund Nachbesserungen beim Gesetz gefordert. «Nach einem Jahr Erfahrung mit den verschärften Strafvorschriften hat sich herausgestellt, dass es dringend einer Überarbeitung bedarf», sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Er begrüßte eine Brandenburger Initiative für die Justizministerkonferenz, die zum Verbrechen hochgestuften Tatbestände der Kinderpornografie wieder zum Vergehen herabzusetzen oder zumindest eine Regelung für minder schwere Fälle vorzusehen. «Der Bundesjustizminister sollte das schnellstmöglich aufgreifen und eine Korrektur auf den Weg bringen.»
Bei Kinderpornografie handelt es sich etwa um Abbildungen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs. Die Zahl der Verurteilungen wegen des Umgangs mit Kinderpornografie ist nach Angaben des Ministeriums im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg um ganze 40 Prozent gestiegen – von 382 im Jahr 2020 auf 535 Verurteilungen im Jahr 2021. Gentges hatte im vergangenen Jahr auch an die Verantwortung der Eltern appelliert. Es handele sich aber auch um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, mit dem man Eltern und Schüler nicht alleine lassen dürfe, hatte sie gesagt.