Stadträte und Stadträtinnen verbringen viel Freizeit bei stundenlangen Diskussionen im Gemeinderat, in Ausschüssen und in den Fraktionen. Im Juni kommenden Jahres können wieder engagierte Bürger bei der Kommunalwahl antreten. Es gibt allerdings Befürchtungen, dass nicht genügend Kandidaten bereit sind, sich um die Geschicke ihrer Gemeinde zu kümmern. Mancherorts werden die Aufwandsentschädigungen erhöht – auch als Anreiz, Verantwortung an der Basis zu übernehmen.
Verbale und körperliche Angriffe auf ehrenamtliche Kommunalpolitiker haben nach Angaben einer Sprecherin der Stadt Villingen-Schwenningen in den vergangenen Jahren zugenommen. «Inwieweit dieser Umstand unmittelbare Auswirkungen auf die Bereitschaft zu einer Kandidatur im Rahmen der Kommunalwahl hat, können wir aber nicht beurteilen.» Klar ist hingegen aus Sicht der Sprecherin der 89 000-Einwohner-Stadt: Es sei für die politischen Parteien in den letzten Jahren zunehmend schwieriger geworden, Kandidaten für die Aufstellung der Wahlvorschläge für die Kommunalwahl zu finden. Das ist aber nicht überall so: Heidelberg oder Freiburg berichten von zahlreihen Wahlvorschlägen mit vielen Bewerbern.
Jürgen Fleckenstein von der Verwaltungshochschule in Kehl beobachtet generell eine schwierige Kandidatensuche. Ein Grund seien mancherorts Stundensätze unter dem Mindestlohn. Die Entschädigungen fallen je nach Größe der Kommunen sehr unterschiedlich aus – von ein paar Hundert Euro bis zur Höhe eines Vollzeitgehalts. Die Landeshauptstadt Stuttgart liegt bei Zahlungen vorn. Die Stadträte bekommen von August 2024 an 1900 Euro Grundbetrag nach aktuell bislang 1650 Euro. Auch die einzelnen Sitzungen des 60-köpfigen Gremiums werden besser vergütet: Bis drei Stunden gibt es 80 statt 70 Euro, für fünf Stunden und mehr 160 statt 140 Euro. Dauersitzungen von über acht Stunden werden mit 240 statt 210 Euro versüßt. Die Dauer der Sitzungen im Gemeinde- und Ältestenrat sowie in Ausschüssen beläuft sich laut Rathaus im fünfjährigen Durchschnitt auf 353 Stunden im Jahr – fast eine Stunde pro Tag.
Auch im Freiburger Rathaus weiß man um die Nöte der Ehrenamtlichen. Die Vielzahl und Komplexität der Themen bedingten neben der Sitzungsteilnahme eine immer umfangreichere Vorbereitung und eine Vielzahl von Fraktionsgesprächen, sagt eine Sprecherin. «Diese hohe inhaltliche und zeitliche Belastung im Ehrenamt ist je nach individueller Lebenssituation überdies mit Beruf und/oder Familie in Einklang zu bringen.»
Daran arbeitet derzeit das Innenministerium. Eine Gesetzesnovelle soll die Vereinbarkeit von kommunalem Mandat und Familie verbessern. Nur jeder vierte Gemeinderat ist laut Experte Fleckenstein weiblich. Bislang dürfen Gemeinderäte dem Ministerium zufolge in Hybridform abstimmen, also teils in Präsenz, teils via Internet – allerdings nur bei einfachen Sachverhalten oder wenn aus schwerwiegenden Gründen keine Teilnahme möglich ist, etwa während der Corona-Pandemie. Ziel sei es, dauerhafte und nicht auf Notlagen begrenzte gesetzliche Möglichkeiten zu schaffen.
In Mannheim mit rund 330 000 Einwohnern beschließt der Gemeinderat die Entschädigung jeweils für die komplette neue fünfjährige Amtszeit. Zuletzt betrug sie monatlich 975 Euro je Stadtrat (bis 2019: 910 Euro). Die Fraktionsvorsitzenden erhalten je nach Größe der Fraktion das 2,2 bis 2,6-fache. Das mit 236 000 Einwohnern kleinere Freiburg bietet den Stadträten und Stadträtinnen seit August 2019 monatlich 1150 Euro pauschal, Fraktionsvorsitzende erhalten das Doppelte.
Heilbronn plant eine höhere Entschädigung ab August 2024. Pauschalen steigen von 280 auf 350 Euro, die Sitzungsgelder von 90 auf 100 Euro; Fraktionsvorsitzende bekommen statt 180 bald 200 Euro. Die Heidelberger Mandatsträger erhalten seit Januar 2019 monatlich 900 Euro Entschädigung. Eine weitere Erhöhung ist in der Kommune mit gut 160 000 Einwohnern vorerst nicht geplant.
Villingen-Schwenningen zahlt vom 1. Juli 2024 an eine Monatspauschale von 300 statt bislang 200 Euro und eine Zulage für Fraktionschefs von 300 statt bisher 150 Euro. Auch Sitzungsgelder werden heraufgesetzt.
Kommunalrechtsprofessor Fleckenstein sieht bei jungen Menschen und Frauen noch Potenzial. Er hofft, dass künftig sich auch 16- und 17-Jährige aufstellen lassen – was nach einem Landtagsbeschluss vom März ab dem nächsten Jahr möglich ist.