Region (dpa/lk) – Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen und der befürchteten weiteren Einschränkungen für Ungeimpfte wächst der Druck aufs Land, erneut Masken in den Schulen vorzuschreiben. Kultusministerin Theresa Schopper schließt eine solche Entscheidung angesichts der steigenden Zahl von Fällen bei Kindern und Jugendlichen nicht aus. Unklar bleibt, wovon das Ministerium die lautstark geforderte Rückkehr zur Maskenpflicht in den Klassenzimmern abhängig macht. Es scheint aber nur noch eine Frage der Zeit zu sein, denn die Rufe nach dem Mund-Nase-Schutz werden lauter und die Corona-Zahlen steigen.
Die vierte Welle der Corona-Pandemie scheint das Land geradezu vor sich herzutreiben. Die Zahl der Corona-Fälle steigt rapide – und bei Kindern und Jugendlichen im Südwesten breitet sich das Virus derzeit besonders stark aus. Die Fallzahlen in den Altersgruppen 6 bis 9 Jahre und 10 bis 19 Jahre lagen zuletzt weit über dem landesweiten Schnitt, wie aus Daten des Landesgesundheitsamts in Stuttgart hervorgeht. Kommt hinzu, dass im Alter zwischen 12 und 17 Jahren nur etwas mehr als jeder Dritte (39,4 Prozent) vollständig geimpft ist, für Jüngere wird eine Impfung noch nicht empfohlen.
Das Kultusministerium hatte Mitte Oktober argumentiert, Masken seien „ein Sicherheitszaun“ und erschwerten die Kommunikation. „In Abwägung der Vor- und Nachteile“ habe sich die Regierung für die Lockerung entschieden. Die Rufe vor allem von Eltern waren deutlich, die Online-Petition einer Wertheimer Mutter unterzeichneten bis heute mehr als 124.000 Unterstützer. Schon damals hatte allerdings die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft auf die Bremse getreten und gefordert, die Pflicht nicht vor den Herbstferien aufzuheben. Auch der Philologenverband, der die Gymnasiallehrkräfte vertritt, hatte den Schritt als „verfrüht“ bezeichnet. Thüringen habe wenige Wochen zuvor die Maskenpflicht in Schulen aufgehoben – dort seien die Inzidenzwerte bei den 5- bis 14-Jährigen explodiert.
Das ist wie bei vielen Vorgaben in der Corona-Zeit eine Sache des Wohnortes. Denn jedes Bundesland handelt in dieser Frage frei. Während zum Beispiel Bayern seit Montag wieder Masken vorschreibt, will Baden-Württemberg die Ansteckungszahlen in den Schulen in dieser Woche zunächst weiter genau ins Auge nehmen. „Ein konkretes Datum für die Rückkehr der Maskenpflicht am Platz gibt es nicht“, sagte ein Sprecher des Ministeriums der dpa. „Aber die steigenden Infektionszahlen mit dem Rekordwert bei den Inzidenzen seit Beginn der Pandemie sind natürlich auch Thema im Haus.“ Es bleibt also unklar, von welchen Werten eine Maskenpflicht abhängig gemacht wird. Deshalb ist auch fraglich, ob unabhängig von der sogenannten Alarmstufe entscheiden wird, mit der eine schärfere Maskenpflicht auch in Schulen ohnehin vorgeschrieben wäre.
Nein, es bleibt unklar, von welchen Werten eine Maskenpflicht abhängig gemacht wird. „Es gibt keinen bestimmten Schwellenwert, es ist auch kein einzelner Wert entscheidend“, heißt es dazu im Ministerium. „Entscheidend ist die Gesamtbetrachtung.“ Deshalb ist auch offen, ob unabhängig von der sogenannten Alarmstufe, mit der eine schärfere Maskenpflicht auch in Schulen ohnehin vorgeschrieben wäre, entschieden wird.
Natürlich. Diskutiert wird über die Pflicht zum Tragen, aber freiwillig kann sich bereits jetzt jedes Kind und jeder Jugendliche zusätzlich schützen. Das betont auch die Kultusministerin. „Es gibt natürlich kein Maskenverbot an den Schulen“, erklärt sie. „Die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte können freiwillig eine medizinische Maske tragen, wenn sie das möchten.“
Das ist so gut wie sicher angesichts der stark steigenden Patientenzahlen in den baden-württembergischen Krankenhäusern. Modellrechnungen gehen davon aus, dass „in jedem Fall“ Mitte November entsprechende Fallzahlen in den Intensivstationen erreicht werden. Die Stufe wird automatisch ausgerufen, wenn mindestens 390 Covid-19-Patienten an zwei aufeinanderfolgenden Werktagen auf Intensivstationen behandelt werden. Am Montag lag die Zahl der Fälle bei 347, das waren 24 mehr als am Tag zuvor.
Schopper könnte sich des für sie oft ungewohnten Beifalls von Landesschülerbeirat, Landeselternbeirat, Philologenverband und Realschullehrerverband ebenso gewiss sein wie der Unterstützung durch die Schulgewerkschaft GEW. Sie alle fordern die Rückkehr zur Maskenpflicht – und sie kritisieren den ihrer Ansicht nach viel zu frühen Verzicht auf den Mund-Nase-Schutz. „Der Versuch, auf Masken im Unterricht zu verzichten, hat zunehmend mehr Corona-Ausbrüche an unseren Schulen verursacht“, werfen Landesschülerbeirat, Philologenverband und Realschullehrerverband der Grünen-Ministerin gemeinsam vor.
Da herrscht keine Einigkeit, wie man an der erfolgreichen Petition aus Wertheim sieht. Aber der Landeselternbeirat ist überzeugt und hat auch die Forderung der anderen Verbände unterzeichnet. „Masken sind das Mittel der Wahl, sofern man die Turbo-Durchseuchung bremsen möchte“, sagt der Beiratsvorsitzende Michael Mittelstaedt. „Aufhalten geht eh nicht, aber wenigstens das Bremsen.“