Karlsruhe (dpa/lsw) – Die EU will die Grenzwerte für die Belastung der Luft mit Feinstaub und Stickstoffdioxid senken. Währenddessen sollen künftig gleich in mehreren Orten Baden-Württembergs Vorgaben für Fahrzeuge gelockert werden. Klagen dagegen sind nur eine Frage der Zeit. Wer mit dem Auto unterwegs ist, muss voraussichtlich mancherorts bald weniger auf die Abgaswerte seines Wagens achten. In mehreren Kommunen im Südwesten sollen im Laufe des Jahres die Umweltzonen und die damit verbundene Pflicht zur grünen Plakette abgeschafft werden. Klagen dagegen sind nur eine Frage der Zeit. Aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe ist dies das völlig falsche Signal.
Umweltzonen sind Gebiete, in denen nur Fahrzeuge fahren dürfen, die bestimmte Abgasstandards einhalten. Dafür gibt es Plaketten je nach den erforderlichen Werten in den Farben rot, gelb und und grün, die an Windschutzscheiben angebracht werden. In Deutschland gibt es laut Umweltbundesamt 56 Umweltzonen. In 55 davon seien nur Fahrzeuge mit grüner Plakette zulässig, in Neu-Ulm auch solche mit gelber Plakette.
Konkret bereitet das Regierungspräsidium Karlsruhe die Aufhebung der Umweltzonen in Heidelberg, Karlsruhe und im benachbarten Pfinztal vor. «Aufgrund der dauerhaft niedrigen Messwerte für insbesondere Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (PM10) in diesen beiden Städten und dieser Gemeinde sowie angesichts der Prognose, dass alle geltenden Grenzwerte für Luftschadstoffe auch weiterhin sicher eingehalten werden, sind die dortigen Fahrverbote durch die grünen Umweltzonen nicht mehr erforderlich», erklärte eine Sprecherin. Aufgehoben werden solle auch das Lkw-Durchfahrtsverbot in der Reinhold-Frank-Straße in Karlsruhe. Es wird den Angaben zufolge aus luftreinhalterischen Gründen ebenfalls nicht mehr benötigt.
Die Anhörung der betroffenen Kommunen soll im Januar abgeschlossen werden. Derzeit hätten noch Bürgerinnen und Bürger Gelegenheit zur Stellungnahme. «Mit den eingegangenen Stellungnahmen werden wir uns auseinandersetzen und uns im endgültigen Plan dazu äußern», erläuterte die Sprecherin des Regierungspräsidiums. Dieser werde dann noch einmal ausgelegt, voraussichtlich im Februar 2023. Im Anschluss sollen die fortgeschriebenen Luftreinhaltepläne in Kraft treten.
Das Regierungspräsidium Stuttgart bereitet die Aufhebung der Umweltzonen in Wendlingen am Neckar (Landkreis Esslingen), Schwäbisch Gmünd (Ostalbkreis), Ilsfeld (Landkreis Heilbronn) und Urbach (Rems-Murr-Kreis) vor. Die Öffentlichkeitsbeteiligung ist den Angaben zufolge für das erste Quartal 2023 geplant. Die genannten Umweltzonen sollen dann voraussichtlich zum 1. Mai 2023 aufgehoben werden.
Im Regierungsbezirk Freiburg soll nur die Umweltzone in Schramberg (Landkreis Rottweil) aufgehoben werden. Die Beteiligungsverfahren seien hier schon durch, so dass der geänderte Luftreinhalteplan im ersten Quartal 2023 bekanntgegeben und die Umweltzone zum zweiten Quartal 2023 aufgehoben werde. Das Regierungspräsidium Tübingen wiederum bereitet im Moment keine Aufhebungen von Umweltzonen vor.
DUH-Bundesgeschäftsführer Resch kritisierte das Vorgehen: «Das hat mich ziemlich verärgert, als ich das ausgerechnet aus Baden-Württemberg gehört habe», sagte er mit Blick auf die seit Jahren grün-geführte Landesregierung und Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). «Die machen Maßnahmen gegen die Luftqualität.» Dabei plane die EU zu Recht, die Grenzwerte zu verschärfen. Um diese einhalten zu können, müsse man jetzt strengere Maßnahmen ergreifen.
Zum Schutz der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger gelten europaweit seit einigen Jahren Grenzwerte für Schadstoffe in der Luft. Nach einem Vorschlag der EU-Kommission soll der Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) ab 2030 nun nur noch bei 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen statt wie bisher bei 40. Die Belastung durch Feinstaub mit einer Partikelgröße von bis zu 2,5 Mikrometer soll demnach von 25 auf 10 Mikrogramm pro Kubikmeter reduziert werden.