Stuttgart (dpa/lk) – Bilder des Kriegs in der Ukraine sind derzeit überall zu sehen. Das Thema wird auch in den Schulen diskutiert. Kinder und Jugendliche sollen sich eine Meinung bilden, aber sollten sie auch auf die Schule verzichten dürfen, um für den Frieden zu demonstrieren?
In Niedersachsen dürfen Kinder und Jugendliche während der Schulzeit an Demonstrationen gegen den Ukraine-Krieg teilnehmen, in Baden-Württemberg hingegen soll das auch weiterhin nicht genehmigt werden. Es sei wichtig, den Einsatz für die Demokratie und Menschenrechte nicht gegen die Schule und die Schulpflicht auszuspielen, sagte Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper. Sie halte es für sinnvoll, dies zu verbinden – als Teil des Unterrichts. „Und für Demonstrationsbesuche gibt es auch außerhalb der Schulzeit genügend Möglichkeiten – zumal Demonstrationen in der Regel auch eher abends oder am Wochenende stattfinden“, sagte die Grünen-Politikerin. Zuvor hatte die „Südwestpresse“ darüber berichtet.
Der Demokratiebildung komme an Schulen eine sehr bedeutende Rolle zu, sagte Schopper auf Anfrage weiter. „Schulen sind als zentrale Orte des Kompetenzerwerbs von Kindern und Jugendlichen daher gefordert, die Demokratiebildung in den Fokus zu rücken.“ Dies gelte angesichts des Krieges in der Ukraine aktuell noch mehr. Deshalb sollten Aspekte des Krieges verstärkt im Unterricht thematisiert werden. Einige Schulen bänden Fachleute in den Unterricht ein und diskutierten mit den Schülern.
Der niedersächsische Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) hatte die Schulen seines Bundeslandes zuvor gebeten, die Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an Demonstrationen zu genehmigen. Wenn für die Schulen die Teilnahme nachvollziehbar und glaubhaft erscheine, könne auf unentschuldigtes Fehlen verzichtet werden. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine unterstütze er es ausdrücklich, wenn Schüler ein Zeichen setzen wollten und an Demonstrationen teilnähmen oder diese organisierten. Solch historische Umstände rechtfertigten und erforderten, von gewohnten Handhabungen abweichen zu können.
Unterstützung bekommt Schopper bei ihrer Haltung von den Eltern: „Guter Unterricht bezieht immer aktuelle, bewegende Aspekte mit in das Unterrichtsgeschehen ein. Dadurch wird Unterricht nicht nur zum Pauken, sondern auch interessant“, sagte Michael Mittelstaedt, der Vorsitzende des Landeselternbeirats, der dpa. „Demonstrieren ohne sich wirklich fachlich mit etwas auseinandergesetzt zu haben ist Zeitverschwendung, zumal die Kids doch wegen Corona eh schon viel zu viel Unterricht verpasst haben.“ Es sei besser, aktiv mit dem Thema zu arbeiten.
Ähnlich sieht das der Verband Bildung und Erziehung. Dessen Landesvorsitzender Gerhard Brand hält Demonstrationen gegen den Angriffskrieg auf die Ukraine zwar für richtig und wichtig. „Gleichzeitig müssen wir sehen, dass in den letzten zwei Jahren Corona-bedingt sehr viel Unterricht ausgefallen ist. Jetzt kann der Unterricht wieder stattfinden und nun sollten wir dieses hohe Gut auch wieder wahrnehmen.“ Demonstrationen könnten auch am Nachmittag oder am Wochenende stattfinden, das müsse nicht während der Unterrichtszeit sein.
Einen Bedarf für eine Entscheidung sieht die Gewerkschaft Erziehung und Bildung derzeit nicht. Die Frage stelle sich bisher nicht, weil vor allem abends und am Wochenende gegen den Krieg protestiert werde, sagte die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein. Es sei aber wichtig, dass Themen wie Menschenrechte, Demokratiebildung und Friedenserziehung in diesen Tagen in jedem Klassenzimmer auf der Tagesordnung ständen. „Gut, dass diese Themen auch in den Bildungsplänen verankert sind und Kinder und Jugendliche in Kitas und Schulen einen Ort zum Austausch haben, auch über ihre Sorgen und Ängste durch den nahen Krieg in der Ukraine“, sagte Stein der dpa.