Stuttgart/Karlsruhe (cmk) Die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses des Landtages Baden-Württemberg staunten wohl nicht schlecht, als sie am Mittwoch am Landtagsgebäude ankamen. Dort wurden sie nämlich von mehreren Bäckern aus dem Enzkreis, Vertretern eines Entsorgungsunternehmens aus Pforzheim, dem FDP-Landtagsabgeordneten Prof. Dr. Erik Schweickert und rund 500.000 Kassenbons erwartet. Ziel der Aktion war es, den Antrag auf eine Bagatellgrenze der FDP-Fraktion zu unterstützen. Letztendlich stimmte der Landtag aber dagegen.
Es waren kuriose Bilder am Mittwochmittag vor dem Landtag in Stuttgart. Zuerst fuhr ein Entsorgungsfahrzeug vor, danach wurden mehrere Müllcontainer und Mülltonnen ausgeladen und vor dem Gebäude abgestellt. Was es damit auf sich hatte, erklärte der FDP-Landtagsabgeordnete für den Enzkreis Prof. Dr. Erik Schweickert so: „Wir visualisieren hier das, was gleich auf der Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses des Landtages von Baden-Württemberg steht, nämlich den Antrag auf eine Bagatellgrenze einzuführen bei der Belegpflicht bei Beträgen unter zehn Euro, da es einfach nur Bürokratie verursacht.“ Um das Vorhaben zu veranschaulichen, war der Politiker am Mittwochmorgen gemeinsam mit Oliver Grimm von Vanni + Didicher Recycling GmbH & Co. KG aus Pforzheim im Enzkreis unterwegs. Dort besuchten sie acht Bäckereien, die die Kassenbons der vergangenen Tage gesammelt hatten, die die Kunden nicht mitgenommen haben. Das Ergebnis überraschte selbst die Initiatoren der Aktion, so Oliver Grimm: „Wir haben acht Mülltonnen, die jeweils ein Kubik fassen, also acht Kubik Volumen. Dann haben wir noch sechs kleinere Boxen dabei mit 240 Liter Fassungsvermögen. Also diese knapp zehn Kubik Volumen, die wir hier haben, reichen nicht für die Bons der letzten zwei Tage aus zehn Betrieben. Das ist verrückt!“
[embedyt] https://www.youtube.com/watch?v=ubNNyjRHZAo[/embedyt]
Letzten Endes waren es etwa eine halbe Million Kassenbons, die aus den acht Bäckereien abgeholt wurden, inklusive der 20.500 Kassenbons aus der Bäckerei Reinhardt in Knittlingen (wir berichteten). „Hier sind knapp 500.000 Kassenbons, die in den letzten Tagen alleine bei mir im Wahlkreis bei den Bäckern angefallen sind, die die Kunden nicht mitgenommen haben, die aufwändig entsorgt werden müssen. Da sind digitale Daten drauf, die datenschutzkonform entsorgt werden müssen. Es ist kein Papiermüll, weil es kein normales Papier ist, es ist Restmüll. Das ist nur Bürokratie und unheimliche Kosten für die Bäcker und das sehen wir heute hier“, so Schweickert. Die Beteiligten vor dem Landtag waren sich einig, eine Belegpflicht in der jetzigen Form mache keinen Sinn, sondern sorge nur für mehr Bürokratie und steigende Kosten in den Betrieben. Das bestätigte auch Janis Wiskandt, Geschäftsführer der Bäckerei Wiskandt in Pforzheim: „Es ist ein zweifach störender Faktor. Der finanzielle Aufwand natürlich auch. Davor habe ich einmal im Jahr einen Karton mit Kassenrollen bestellt, der hat auch ein Jahr lang gereicht. Jetzt brauche ich einen Karton in einem halben Monat. Das sind zusätzliche Kosten für mich, die ich nicht auf den Kunden zurückführen kann und die an mir hängen bleiben. Es ändert sich für mich intern nichts, da im System alles erfasst wird und das ist auch gut so, damit arbeite ich und analysiere meine Statistiken. Wir haben schon seit 2015 die Kassensysteme, die inzwischen gefordert sind. Wer die Kassensysteme verwendet braucht auch keine Bonpflicht, da sowieso alles nachvollziehbar ist.“
„Es zeigt einfach diese Menge an Bons, die hierdurch anfällt und was gleichzeitig für Kosten für die Betriebe entstehen. Ich würde sagen eine durchschnittliche Bäckerei mit Kassenumstellung, Bons und Entsorgung muss jetzt zusätzlich rund 5.000 Euro im Jahr ausgeben, ohne ein einziges Brötchen mehr verkauft zu haben. Da sollte man sich schon als Wirtschaftsausschuss Gedanken machen“, stellt sich FDP-Politiker Schweickert auf die Seite der Betriebe. Daher hat er einen Antrag im Wirtschaftsausschuss eingereicht, über den am Mittwoch abgestimmt wird.
„Um 14 Uhr beginnt die Sitzung des Wirtschaftsausschusses. Der Antrag wird dann erst besprochen und das Thema erörtert. Dann steht ein Beschlussantrag, dass eine Bundesratsinitiative aus Baden-Württemberg von der Landesregierung gestartet werden soll. Sollte der Wirtschaftsausschuss diesem Antrag zustimmen, würde die Landesregierung dann auf Bundesebene in die Gespräche gehen. Weil natürlich das Land – dort sind die Finanzämter angesiedelt – ein großes Mitspracherecht hat bei diesem Gesetz, obwohl es eigentlich ein reines Bundesgesetz ist. Deswegen kann das Land hier etwas tun und wir hoffen, dass es das tut“, so Schweickert über den weiteren Prozess. Dieser Wunsch erfüllte sich allerdings nicht, der Landtag stimmte am Nachmittag gegen den Antrag auf eine Bagatellgrenze.
Fotos: dnw