Karlsruhe (dpa/lk) – Mehr Platz für Fußgänger – und Straßenbahnen sowie Autos in den Tunnel: Mit der sogenannten Kombilösung soll die Karlsruher City schöner und sicherer werden. Das Milliarden-Projekt hatte einen langen Vorlauf und manch Hürde zu überwinden. Jetzt steht der Start bevor: Morgen geht in Karlsruhe eine der kürzesten U-Bahnen Deutschlands in Betrieb. Die U-Strab kann sich sehen lassen – die Kosten auch?
An der Haltestelle Marktplatz ist alles bereit: Fahrkartenautomaten, Streckenpläne und Rolltreppen warten auf die ersten Fahrgäste. Morgen wird Karlsruhes Jahrhundertprojekt, eine der kürzesten U-Bahnen Deutschlands, in Betrieb gehen. Mit zwölf Jahren Bauzeit hat die so genannte Kombilösung am Ende doppelt so lange gedauert wie geplant – und war mit 1,5 Milliarden Euro dreimal so teuer. Das hat Gründe. Pleiten, Pech und Pannen gehörten dazu. Aber auch eine ehrlichere Berechnung.
Vom jahrelangen Lärm, Staub, den Sperrungen, Umleitungen und Staus ist im neuen Karlsruher Untergrund nichts zu spüren. Angenehme Stille, großzügige Wege und weiß vertäfelte lichte Hallen erwarten die Fahrgäste. Ein abgehängtes Lichtgespinst aus unzähligen weißen Stableuchten lässt die Haltestelle Marktplatz luftig erscheinen. An einigen Stellen können Wartende sich die Zeit damit vertreiben, bunte Schatten zu werfen. „Fahrgäste sollen sich wohl fühlen“, sagt Achim Winkel, Sprecher der Karlsruher Schieneninfrastruktur-Gesellschaft. Fast alles ist fertig. Nur die angekündigte Kunstmeile im Untergrund von Maler-Star Markus Lüpertz lässt auf sich warten. 14 großformatige Keramiktafeln sollten an sich zur Tunneleröffnung die Haltestellen schmücken. Eine „Genesis“-Tafel – die Schöpfungsgeschichte verdichtet auf sieben Haltestellen – ist bislang installiert. Sie bleibt abgedeckt, bis der Künstler die anderen Tafeln vollendet hat.
Die Kombilösung ist eines der größten Verkehrsprojekte im Land. Sie soll der Karlsruher City ein neues Gesicht geben und für mehr Lebensqualität und Sicherheit sorgen. Die Fußgängerzone soll endlich ihren Namen verdienen: Ein Teil der dort im Minutentakt fahrenden Straßenbahnen wird im Tunnel darunter rollen, ein anderer Teil auf einer neuen Trasse der südlich verlaufenden Kriegsstraße. Diese früher teils zehnspurige Auto-Schneise ist zum Boulevard umgebaut worden, der Autoverkehr soll in einem Tunnel darunter fließen. Der wird voraussichtlich Ende März fertig. Derweil rollen unter der Fußgängerzone die Bahnen probeweise. Der Tunnel hat verschiedene Stresstests hinter sich gebracht, eine große Katastrophenschutzübung und einen simulierten Strom-Blackout. „Es hat alles funktioniert“, sagt Winkel.
Ein unproblematischer Endspurt nach langwierigem Anlauf: Die Pleite einer Baufirma, böse Überraschungen im Untergrund, Baustopps und daraus resultierende Verzögerungen – manche befürchteten nach dem Baustart im Jahr 2010 ein „Karlsruhe 21“, in Anlehnung an das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21. Zumal mitten im Bau der Bundesrechnungshof die Wirtschaftlichkeit beim Kriegsstraßen-Umbau anzweifelte. Und damit das gesamte von Stadt, Land und Bund finanzierte Projekt in Frage stellte. Eine Kostensteigerung von 500 Millionen auf 1,5 Milliarden Euro – das hat sich selbst der Tunnel-Gegner Johannes Honné, Vize-Fraktionschef der Grünen im Stadtrat, nicht ausmalen können. Doch eine Verdreifachung der Kosten gab es laut Kasig nicht wirklich: Berechnet worden seien anfangs nur die reinen Baukosten. In den letzten Jahren habe man sämtliche Kosten eingerechnet, also auch die für Zinsen, Kredite, Eigenpersonal, Marketing und Entschädigungen – die würden bundesweit auch heute normalerweise nicht berücksichtigt.
Fast schon normal ist aber eine Kostenexplosion im Bau: Auch das größte Projekt im Land, Stuttgart 21, kommt mit prognostizierten 8,2 Milliarden Euro nun dreimal so teuer wie geplant. Der Verkehrsclub Deutschland fordert schon seit langem, dass künftige Projekte von Anfang an ehrlicher kalkuliert und nicht klein gerechnet werden. Verkehrsminister Winfried Hermann findet die Kosten auch ärgerlich. Wenn gebaut werde, gebe es aber von einem bestimmten Zeitpunkt an kein Zurück mehr. „Es gab zur Kombilösung Karlsruhe zwei Bürgerentscheide mit dem Ergebnis, dass das Projekt realisiert werden soll. Das ist zu respektieren.“ Auch kann sich das Resultat aus Sicht von Stadt und Land sehen lassen: Das ÖPNV-Netz werde leistungsfähiger und attraktiver für die Fahrgäste. Karlsruhe leiste so einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.
Dass angesichts des dichten, für Fußgänger gefährlichen Tramtaktes etwas getan werden musste, steht für VCD-Landeschef Matthias Lieb außer Frage. Insgesamt habe man nun aber eine ziemlich teure Lösung geschaffen – mit weniger Haltestellen und längeren Wegen. „Aber der ÖPNV wird nun pünktlicher und sicherer.“ Wie Grünen-Stadtrat Honné wäre auch er dafür, angesichts steigender Fahrgastzahlen die Gleise in der Fußgängerzone nicht abzubauen. Doch das würde all jene Bürger auf die Palme bringen, die der Kombilösung nur unter Zähneknirschen zugestimmt haben – wegen der Aussicht auf eine bahnfreie Flaniermeile in der Kaiserstraße.