Karlsruhe (mt) – Die Zahl der Neuinfektionen steigt in den vergangenen Tagen im Stadt- und Landkreis Karlsruhe weiter. Dabei breitet sich vor allem die hochansteckende britische Variante des Coronavirus immer weiter aus. Diese Entwicklung macht dem Geschäftsführer des Städtischen Klinikums Karlsruhe, Michael Geißler, große Sorgen. Nach verschiedenen Lockerungen im Einzelhandel erwartet der Klinikchef vor allem im April einen exponentiellen Anstieg der Zahlen.
Momentan sei allerdings noch kein Effekt der Lockerungen zu bemerken, erklärt Geißler im Gespräch mit der neuen welle: „Das ist noch viel zu früh. Die Zahlen steigen einerseits wegen einer Müdigkeit der Bevölkerung, was ich verstehe. Und sie steigen auf der anderen Seite wegen der vorliegenden Mutationen. Die haben inzwischen über 50 Prozent der Virusübertragung eingenommen.“ Unter Auflagen könne zwar schon gelockert werden, die Leute müssten aber dennoch die wichtigsten Vorgaben wie Abstandhalten oder dieMaskentragen konsequent einhalten, so der Klinikumschef. Geißler ärgert sich allerdings über die vielen Personen, die bei schönem Wetter trotz Pandemie unvorsichtig sind: „Weil man jetzt draußen sitzt, in Fünfergrüppchen auf der Wiese oder am Rhein und zusammen ein Glas Wein trinkt, den Abstand nicht einhält und die Maske abnimmt. Das wird dazu führen, dass sich das Virus dramatisch weiter verbreitet.“
Abgesehen von der stärkeren Verbreitung macht die britische Mutante dem Städtischen Klinikum auch wegen der langen Inkubationszeit zu schaffen: „Wenn wir Patienten aufnehmen, die zwar beim initialen Test negativ waren, können sie aber später positiv werden. Das hat sich nach hinten verschoben mit den Mutanten. Das kann bis zu zehn, vierzehn Tage dauern. Das heißt, wir müssen unsere Teststrategie im Haus intensivieren. Was wieder einen personellen, strukturellen und finanziellen Aufwand bedeutet.“ Wegen der immer noch hohen Belastung im Covid-Bereich könnten momentan andere Bereiche nicht auf Volldampf fahren. Dennoch appelliert Geißler dazu, sich bei schweren Krankheiten sofort behandeln zu lassen: „Natürlich sind alle Patienten, die schwer krank sind, hier bestens und perfekt versorgt. Das kriegen wir gut hin. Das ist gar nicht eine Frage der Leistungsfähigkeit unseres Klinikums. Wir sehen, dass viele Menschen zu spät in die Klinik kommen. Menschen, die sich nicht wohlfühlen, die sehr ernste Symptome haben wie Luftnot, wie Schmerzen im Brustkorb oder auch leichte Blutveränderungen im Stuhlgang oder so etwas: Ab in die Klinik, ab in die Facharztpraxis! Nicht zu Hause warten!“
Ein Lichtblick für die kommenden Monate ist für Geißler die weiter fortgeschrittene Impfung. Vorausgesetzt, dass diese sich im April und Mai so weiterentwickele wie vorhergesagt: „Dann werden wir insbesondere in den Kliniken deutlich weniger schwere Fälle sehen. Wir werden zwar immer noch viele Infektionen haben. Aber die meisten werden eben nicht mehr schwer verlaufen, sondern die Menschen werden vor schweren Infektionen geschützt sein.“ Eine Hürde beim Impfen ist durch den Impfstopp mit AstraZeneca in Dänemark, Norwegen und Island aufgetreten. Das hat die Debatte um den Impfstoff noch weiter angeheizt. Geißler, der sich selbst mit AstraZeneca hat impfen lassen, sei von dessen Sicherheit voll überzeugt: „Es ist völlig normal, je mehr Menschen man impft – hier geht’s ja um Zehntausende, Hunderttausende Menschen – dass man Zwischenfälle hat mit jedem Medikament hat. Die hängen nicht zwingend mit der Impfung zusammen, sondern mit der Disposition des Geimpften oder mit einer nicht erkannten Vorerkrankung. Das muss jetzt aufgearbeitet werden und zwar ganz rational, ohne jede Emotion, damit dieser extrem wichtige Impfstoff nicht verbrannt wird.“ Gerade die Kliniken seien laut Geißler darauf angewiesen, dass möglichst viele Menschen in Deutschland im April mit AstraZeneca geimpft werden: „Wir wissen, dass dieser Impfstoff hervorragend schwere Verläufe verhindert. Dadurch werden wir Kliniken ab Mai/Juni natürlich ganz besonders entlastet“, erklärt der Klinikumschef.