Karlsruhe (la) – Seit Ende Juli steht fest: Die ukrainische Großstadt Winnyzja soll Karlsruhes neue Partnerstadt werden. Einen Monat nach dem ersten Treffen zwischen den Oberbürgermeistern der zukünftigen Partnerstädte schickt Karlsruhe jetzt zehn Wärmeinseln nach Winnyzja. Bei einem völligen Zusammenbruch der Wärmeversorgung der Stadt schützen die Zelte vor den eisigen Minusgraden des Winters in der Ukraine.
Ende Juli dieses Jahres wurde die Großstadt Winnyzja als neue Partnerstadt für Karlsruhe ausgesucht. Seitdem ist die Verwaltung der Fächerstadt damit beschäftigt, die Partnerschaft vorzubereiten. Beide haben viel gemeinsam: Winnyzja hat rund 370.000 Einwohner und mehrere Hochschulen. „Wir haben bei der Suche bestimmte Rahmenbedingungen beachten müssen: Das hat etwas mit der Größe der Stadt zu tun. Wir haben eine Stadt gesucht, die auch ein starkes kulturelles Leben hat. Es geht darum, Institutionen hier wie dort zu finden, die möglichst auch in eine direkte Partnerschaft einsteigen“, so Frank Mentrup.
Anfang Oktober fand ein erstes Treffen zwischen den Oberbürgermeistern aus Winnyzja und Karlsruhe statt. In Augsburg haben Frank Mentrup und Serhij Morhunow neben der zukünftigen Partnerschaft auch über akute Probleme gesprochen. „Am Ende habe ich gefragt, wie wir Winnyzja derzeit konkret helfen können“, erinnert sich Mentrup. Aufgrund des Krieges fällt bei vielen Wohnanlagen die zentrale Wärmeversorgung aus. Im Notfall gibt es keine Alternative zum Aufwärmen. Das bereite Morhunow gerade große Sorgen. Aus dem Gespräch wurde die Idee der „Wärmeinseln“ geboren. Die kann Winnyzja gut gebrauchen: „Zumindest Anfang Oktober war Winnyzja gerade akut von Raketen getroffen worden. Fünfzig Prozent der Energieversorgung lagen danieder. Im Moment sind sie, glaube ich, nicht im Mittelpunkt großer Energieknappheit. Aber man ist permanent bedroht, das dürfte in Winnyzja genauso sein“, erläutert Mentrup.
Joachim Pech, stellvertretender Abteilungsleiter der Technik bei der Feuerwehr Karlsruhe, hat sich um die Beschaffung der Wärmeinseln gekümmert. Und das war gar nicht so einfach. Auch auf dem deutschen Markt sind Gegenstände wie Dieselkanister und Generatoren nur schwer zu bekommen. Denn auch die Deutschen bereiten sich akribisch auf einen möglichen Blackout vor. Hauptbestandteil der Inseln sind Zelte aus dickem, widerstandsfähigem Stoff. Außerdem liefert Karlsruhe Dieselgeneratoren, Feldbetten, Wasserkocher und viele weitere Dinge, die man in einem Kriegsgebiet bei Minusgraden gut gebrauchen kann. Auch die Kabelbinder dürfen nicht fehlen. „Es handelt sich bei den Inseln um vollständige ‚Pakete‘. Sie können sofort eingesetzt werden und man muss nicht noch Kleinigkeiten aus dem Baumarkt dazukaufen“, erläutert Frank Mentrup.
Die Karlsruher Verwaltung ist stolz: Trotz aller Widrigkeiten können die Wärmeinseln schon einen Monat nach dem Treffen der beiden Oberbürgermeister auf ihren Weg in die Ukraine gebracht werden. Um den Transport der Güter kümmern sich Olga und Volodymyr Skripnik. Die beiden haben persönliche Verbindungen in die Ukraine. Volodymyr ist dort geboren. Das Ehepaar hat zu Beginn des Krieges die „Rosinen-Initiative“ ins Leben gerufen – in Anspielung auf die Rosinenbomber während des Zweiten Weltkrieges. „Wir haben leider keine Flugzeuge, aber wir haben unsere Brummis“, erklärt Olga lächelnd. Zweieinhalb Tage dauert die Überfahrt nach Winnyzja. In Lemberg macht der Fahrer des Vierzigtonners einen Zwischenstopp, damit die Güter umgeladen werden können. Seit Mitte November ist die Fahrt ins Kriegsgebiet noch schwieriger geworden. „In Lemberg und Umgebung wurde die Stromversorgung abgestellt. Wir hoffen, dass sich das schnell wieder ändert“, so Olga. Die Unsicherheit mache dem Unternehmen sehr zu schaffen.
„Unser Spendenkonto ist durchaus ausbaufähig, weil die Menschen vor allem in den ersten Monaten [des Krieges] an die bundesweiten Spendenkonten gespendet haben. Aber wir kommen für das, was wir uns vornehmen, derzeit ganz gut aus. Generell betrachtet ist die Hilfsbereitschaft in Deutschland enorm“, so Mentrup. Das sieht Olga Skripnik anders: „Gerade jetzt, wo das Elend zunimmt, nimmt die Hilfsbereitschaft ab“, kritisiert sie. Die Rosineninitiative transportiert neben den zehn Wärmeinseln auch Spenden von Privatpersonen in die Ukraine. Derzeit wird für „Überlebenspakete“ und Weihnachtsgeschenke für Kinder gesammelt. Auch Geldspenden sind herzlich willkommen.
„Im Sinne der Krisenhilfe sind erst mal keine weiteren Projekte mit Winnyzja geplant. Wenn es aber weitere Anfragen gibt, werden wir versuchen, das umzusetzen“, so Frank Mentrup. „Wir haben aber mit Winnyzja schon ausgemacht, dass Ende April eine Delegation hier nach Karlsruhe kommt, die uns beim Fest der Sinne besucht.“ Es sollen sich außerdem Arbeitsgespräche mit der Verwaltung ergeben.