Karlsruhe schlägt wegen Zustroms minderjähriger Flüchtlinge Alarm

27. September 2023 , 15:38 Uhr

Karlsruhe (dpa/dk) – Immer mehr minderjährige Ausländer flüchten nach Baden-Württemberg – und da gibt es zu wenig Unterstützung vom Land. Aus diesem Grund haben sich die Großstädte Karlsruhe, Mannheim und Freiburg nun direkt an Ministerpräsident Kretschmann gewandt. Das Kuriose: Der besondere Schutz für Kinder und Jugendliche macht eine zumutbare Unterbringung schwierig.

Karlsruher OB Mentrup dabei

Der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD), sprach sich angesichts der gestiegenen Zahlen bereits vor dem Brief dafür aus, Aufsichts- und Fürsorgepflichten etwas weniger streng zu handhaben. Jugendliche, die sich unter Umständen schon jahrelang auf ihrer Flucht alleine durchgeschlagen hätten, bräuchten vielleicht nicht alle zwingend ab Ankunft hier die volle Verantwortung durch Jugendämter, sagte Mentrup der Deutschen Presse-Agentur. Beispielsweise könnten auch Sicherheitsfachkräfte in bestimmten Fällen die Minderjährigen beaufsichtigen. In Ansätzen sei das ja bereits möglich.

„Ein sehr heikles Feld“

Denkbar wäre auch, dass man die Altersgrenzen etwas verschiebe und Jugendliche schon ab 16 Jahren trotz ihres jugendlichen Alters in Gemeinschaftsunterkünften unterbringen dürfe. Dadurch könnten die bisher für sie zuständigen, jedoch völlig überforderten Jugendämter entlastet werden. «Es ist ein sehr heikles Feld, das weiß ich», sagte der SPD-Politiker. «Aber wenn die Zahlen weiter so steigen, wird man auch auf Bundesebene irgendwann um diese Diskussion nicht mehr herumkommen.»

Dem Sozialministerium zufolge sind diese Kinder und Jugendlichen eine besonders verletztliche Gruppe. «Deshalb gibt es im Kinder- und Jugendhilfebereich nirgends eine Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften für Erwachsene», sagte eine Sprecher. Die Unterbringung in einer solchen Unterkunft sei mit dem Kindeswohl nicht vereinbar. Nach geltender Rechtslage ist es so, dass unbegleitete minderjährige Ausländer und Ausländerinnen einem Jugendamt zugewiesen, dort in Obhut genommen und einer Fachkraft übergeben werden. Mangels Personal seien viele Städte und Landkreise damit aber überfordert, so Mentrup. Auch sei es ihnen nicht zuzumuten, die zuletzt beschlossene bundesweite Verteilung in die Wege zu leiten.

Übernachtung auf Behördenfluren

Er habe erlebt, dass verzweifelte Jugendamtsmitarbeiter mit ihren Schützlingen auf Behördenfluren übernachtet hätten, weil sich keine geeignete Unterkunft für die Betroffenen gefunden habe und man die Jugendlichen nicht im Stich lassen wollte. Auf Bundesebene müsse diskutiert werden, ob es nicht Wege gebe, Jugendämter zu entlasten, ohne den für diese jungen Geflüchteten geltenden besonderen Schutz aufzugeben. Nach Angaben aus dem Sozialministerium kamen im laufenden Jahr bisher 3252 unbegleitete minderjährige Kinder und Jugendliche nach Baden-Württemberg (Stand 13. September). Im gesamten Jahr 2022 waren es 2938 und im Jahr davor 1186 gewesen. Der Betreuungsrahmen für diese Gruppe sei bereits herabgesetzt worden, betonte ein Ministeriumssprecher. Eine weitere Absenkung solle es nicht geben.

Problem ist der Weg über die Schweiz

Allein in Freiburg kamen im August 164 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge an – das ist für die Stadt ein monatlicher Rekordwert. In den anderen Stadt- und Landkreisen sei die Lage vergleichbar, berichtete die Stadt. Besonders die Jugendämter in Gegenden mit direkten Zugangswegen – in Südbaden hauptsächlich über die Schweiz – seien sehr belastet.

«Gegenwärtige Praxis der Schweiz ist es, Migranten und Migrantinnen ungehindert das Land passieren zu lassen, beziehungsweise deren Transit sogar noch zu unterstützen», hieß es in der Mitteilung. Es müsse deshalb mit dem Nachbarland verhandelt werden, lautete die Forderung. Die drei Städte und vier Landkreise Städte bewerteten die Unterstützung des Landes zurzeit «als völlig unzureichend». Auch Vorschläge eines Arbeitspapiers des Landes zu dem Thema führten nicht weiter, hieß es in der Mitteilung der Stadt Freiburg. Aus eigener Sicht werden die Kommunen mit ihren stark gestiegenen Verwaltungskosten von der Landesregierung alleine gelassen.

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