Karlsruhe (dpa/lk) – Das Eindringen von Polizisten in das Berliner Büro des Linken-Bundestagsabgeordneten Michel Brandt im September 2018 war verfassungswidrig. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Der Präsident des Deutschen Bundestags, Wolfgang Schäuble, habe den Abgeordneten in seinem Recht aus Artikel 38 des Grundgesetzes verletzt.
An den Bürofenstern des Linken-Bundestagsabgeordneten Michel Brandt aus Karlsruhe hingen während eines Besuchs des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan DIN A4 große Ausdrucke einer Kurdistan-Flagge sowie eines Wimpels der kurdischen Verteidigungseinheiten YPG. Brandt war nicht in seinem Berliner Büro, Polizisten gelangten mit einem Zentralschlüssel hinein und entfernten die Ausdrucke. Die Bundestagsverwaltung rechtfertigte das Eindringen auch damit, dass sich Erdogan-Anhänger durch die Plakate provozieren und zu Aktionen gegen den Bundestag hätten hinreißen lassen können.
Die Verfassungsrichter sehen in dem Handeln der Polizei beim Deutschen Bundestag einen Eingriff in den verfassungsrechtlich geschützten Abgeordnetenstatus. „Dieser Eingriff ist nicht gerechtfertigt.“ Das Vorgehen sei nicht verhältnismäßig im engeren Sinne gewesen. „Im konkreten Fall waren die Anhaltspunkte für eine Gefahrenlage nur schwach ausgeprägt.“ Zudem sei nicht ersichtlich, dass die Plakatierungen überhaupt von Passanten wahrgenommen worden oder zum Anlass von Angriffen auf das Parlamentsgebäude oder die Mitarbeiter genommen worden wären. Es habe auch keinen Versuch gegeben, den Abgeordneten zu erreichen, teilte der Zweite Senat mit.
Artikel 38 des Grundgesetzes sichere den Abgeordneten das Recht, die ihnen zugewiesenen Räume ohne Beeinträchtigungen durch Dritte nutzen zu können.
Brandt äußerte sich in einer Stellungnahme: „Nunmehr wurde im Interesse aller Abgeordneten klar gestellt, dass Mandatsträger in ihren Arbeitsräumen umfassend vor dem unzulässigen Zutritt anderer Personen geschützt sind. Nur so können wir vertrauensvoll und unabhängig im Interesse der Wählerinnen und Wähler handeln. Wie in meiner privaten Wohnung muss ich selbst entscheiden können, wer Zugang zu meinem Büro hat und wer nicht. Das gilt auch für Beamte der Bundestagspolizei.“