Baden-Baden/Karlsruhe (pm/dpa/lk) – Für Menschen ohne festen Wohnsitz ist das Leben sowieso schon hart. Leichter wird es durch die Corona-Pandemie nicht gerade. Jetzt steht wieder die kalte Jahreszeit an und die obdachlosen Menschen in der Region sind auf Kälteschutzeinrichtungen angewiesen. Allerdings gibt es in diesem Jahr aufgrund der Abstandsgebote nicht so viele Angebote wie sonst. Bußgelder wegen Corona-Verstößen treiben die Menschen zusätzlich in die Enge: Ihre Schulden sind teils horrend.
Aufgrund der anstehenden kalten Tage und Nächte weist die Stadtverwaltung Baden-Baden darauf hin, dass Menschen, die sich ohne festen Wohnsitz und ohne Wohnung im Freien im Stadtgebiet aufhalten, im Rahmen des Erfrierungsschutzes in städtischen Notunterkünften oder bei der Caritas Baden-Baden vorübergehend aufgenommen werden können. Bedingt durch die Corona-Pandemie und den damit verbundenen Infektionsschutz sowie die Abstandsgebote, sind die Plätze aber begrenzt. Eventuell mitgeführte Haustiere können für die Zeit der Aufnahme in einer Notunterkunft im Tierheim Baden-Baden unterkommen.
Viele obdach- und wohnungslose Menschen geraten durch die Corona-Pandemie zusätzlich in Not und haben sich stärker verschuldet. Wegen Verstößen gegen die Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum würden die Betroffenen viel zu oft zu Bußgeldern verdonnert. Sozialarbeiter Uwe Enderle von der Einrichtung Tagestreff Tür in Karlsruhe sprach von Bußgeldern im vierstelligen Bereich. „Menschen kommen zu uns, die deswegen mit mehreren Tausend Euro in der Kreide stehen“, sagte er. Die Behörden seien in der Regel nicht bereit, auf diese Gelder zu verzichten. „Die persönliche Lebenslage der Betroffenen ist regelmäßig nicht (direkt) bekannt, würde für die Sachbearbeitung aber auch zu keiner anderen Verfahrensweise führen“, teilte dazu etwa das Ordnungsamt Karlsruhe mit. Das Sozialministerium appellierte in diesem Zusammenhang an die Ordnungsämter, mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl vorzugehen.
Die Wohnsitzlosen seien darüber hinaus in Schwierigkeiten, weil ihnen schon lange wegen des weitgehenden Stillstands des öffentlichen Lebens Einnahmequellen wie etwa das Betteln oder Flaschen sammeln vor Veranstaltungen verloren gingen, ergänzte die Liga der freien Wohlfahrtspflege. Die Städte und Stadtkreise hätten sich auf die Situation eingerichtet, betonte hingegen eine Sprecherin des Städtetags Baden-Württemberg. Vielerorts seien Konzepte zur Einzelunterbringung entwickelt worden, um beispielsweise in Pensionen und Jugendherbergen kurzfristig Räume anmieten zu können. „Die Obdachlosenunterkünfte sind für die Unterbringungen der Menschen ausgelegt und verfügen über ausreichende sanitäre Anlagen“, ergänzte eine Sprecherin des Gemeindetags.
Corona-Infektionen in Einrichtungen für Wohnungslose wurden nur vereinzelt berichtet. In den früheren Hotels „Augustiner“ und „Anker“ in Karlsruhe mit jeweils knapp 40 Plätzen seien die Menschen in Einzelzimmern. „Gerade in Corona-Zeiten sind das gute hygienische Voraussetzungen“, sagte André Severin, Fachbereichsleiter Wohnen und Betreuung der AWO. „Für Tests können wir uns direkt ans Gesundheitsamt wenden, das hat bisher gut geklappt“, sagte Severin. Die Zahl von wohnsitzlosen Menschen wird im Südwesten nach Zahlen dem Jahr 2014 auf um die 22.000 geschätzt. Neuere Zahlen gibt es bisher nicht.
Der Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg appellierte an das Sozialministerium, weitere finanzielle Hilfen zur Verfügung zu stellen. Das dringendste seien mit Blick auf den Winter Rund-um-die-Uhr-Unterkünfte, sagte dazu die Liga. „Die betroffenen Menschen dürfen am Morgen nicht auf die Straße entlassen werden.“ Ein Sprecher des Ministeriums erklärte, dass Wohnungslosenhilfe grundsätzlich eine kommunale Pflichtaufgabe sei. „Inwieweit und in welcher Form und Höhe hier eine Unterstützung erfolgen kann, wird aber derzeit noch intensiv geprüft.“ Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe hatte schon kurz vor Inkrafttreten der neuen Corona-Regeln gefordert, zusätzliche Räumlichkeiten für Beratungen, Tagesaufenthalte, Essensausgaben und Übernachtungsstellen zu schaffen. „Sonst sind die Kontaktbeschränkungen nicht zu gewährleisten“, hatte der Verband Ende Oktober gewarnt.