Stuttgart (dpa/ass) – Ob Pforzheim, Karlsruhe oder Freiburg: Bei öffentlichen Impftagen hatte es zuletzt einen regelrechten Ansturm gegeben. Die Warteschlangen zeigen, wie sehr sich die Menschen nach einem Corona-Schutz sehnen. Von Montag an wird die Impfstoff-Priorisierung bei Hausärzten in Baden-Württemberg für alle Impfstoffe aufgehoben. Das hat das Sozialministerium am Mittwoch bestätigt. Doch steht überhaupt genügend Impfstoff in den Praxen zur Verfügung?
Ab kommenden Montag soll die Impfstoff-Priorisierung bei niedergelassenen Ärzten im Südwesten für alle Impfstoffe aufgehoben werden. Ärzte können dann nach eigenem Ermessen entscheiden, welche Patienten besonders dringend mit einem Corona-Vakzin geimpft werden müssen. Sie müssen sich nicht mehr an die vom Land vorgegebene Reihenfolge halten. Auch Bayern hat bereits angekündigt, diesen Schritt zu gehen. „Die Hausärztinnen und -ärzte können am besten einschätzen, welcher ihrer Patienten zum Beispiel wegen Vorerkrankungen oder betreuender Familienangehöriger eine Impfung nötig hat“, sagte Dietsche zur Öffnung der Impfkampagne bei den Hausärzten. Viele Praxen hätten Wartelisten für ihre Patienten, die jetzt ohne Rücksicht auf die Priorisierung abgearbeitet würden.
Das Problem werde letztlich aber nicht die Frage sein, ob Astrazeneca oder Biontech in die Spritzen aufgezogen werde, sagte Verbandssprecher Manfred King. „Es muss erstmal genug Impfstoff da sein. Aber in der Regel haben die Hausärzte bislang nicht das bekommen, was sie erwartet haben.“ Minister Lucha hatte den Bund wiederholt aufgefordert, mehr Impfdosen zur Verfügung zu stellen. Der Hausärzteverband hatte sich dem angeschlossen. Erst vor wenigen Tagen hatte auch die Kassenärztliche Vereinigung die Patienten weiter um Geduld gebeten. „Die Aufhebung der Impfpriorisierung führt nicht dazu, dass jetzt auch alle schnell geimpft werden. Dadurch stehen nicht mehr Impfstoff und auch nicht mehr Termine zur Verfügung“, hatte ein Sprecher gesagt.
In den Impfzentren bleibt die Priorisierung den Angaben nach erhalten, damit dort Menschen mit hohem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf oder mit hohem Ansteckungsrisiko auf jeden Fall zuerst geimpft werden. „Trotz einzelner Drängler impfen wir weiter erfolgreich die Schutzbedürftigen zuerst“, erklärte Minister Manne Lucha (Grüne). Ab Montag zusätzlich impfberechtigt sind Menschen, die im Arbeitsalltag einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Dazu zählen Mitarbeiter des Lebensmitteleinzelhandels, in Apotheken und Beratungsstellen, in der Wasser- und Energieversorgung, in Tafelläden, bei körpernahen Dienstleistungen, in Fahrschulen sowie Personen in besonders relevanter Position in Verwaltungen oder Justiz, bei der Bundeswehr, Polizei oder Feuerwehr, beim Zoll und Katastrophenschutz. Auch wer regelmäßig ehren- und nebenamtlich im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe oder in Schulen Kontakt zu Kindern und Jugendlichen hat oder an Hochschulen tätig ist, kann sich nun impfen lassen. Gleiches gilt zum Beispiel für Saisonarbeiter, Pflegeeltern und Journalisten.
In Baden-Württemberg sind nach Angaben des Robert Koch-Instituts bisher 33,6 Prozent der Bevölkerung einmal gegen das Virus geimpft worden. Eine zweite Schutzimpfung, die bei den meisten Wirkstoffen nötig ist, haben 9,7 Prozent erhalten. Man gilt damit als vollständig geimpft (Stand 12. Mai, 14.00 Uhr). «Bei den über 60-Jährigen geht die Impfquote bereits auf die 70 Prozent zu, das ist ein großer Erfolg für die Pandemiebekämpfung», sagte Lucha. Ab Juni sollten die Impfstoffmengen an die niedergelassenen Ärzte steigen, dann würden auch Betriebsärzte nach und nach in das Impfen einbezogen, hieß es.