Stuttgart (dpa/jal) – Zehntausende Jungen und Mädchen werden am Montag in den Grundschulen erwartet. Was fehlt? Mehr als 300 Lehrkräfte – denn es konnten noch nicht alle Stellen besetzt werden. Die Grundschullehrer fordern nun eine Taskforce.
Angesichts Hunderter noch offener Stellen an den baden-württembergischen Grundschulen zum Start des neuen Schuljahrs fordert der Grundschulverband eine offene Debatte über die Strategie der Landesregierung und eine breit angelegte Taskforce. «Es fehlt das große, breit angelegte Forum, das sich damit befasst, wie wir unsere Bildung endlich wieder auf Kurs bringen», sagte Edgar Bohn, Vorsitzender der Landesgruppe Baden-Württemberg des Grundschulverbandes, der Deutschen Presse-Agentur. «Denn wenn die grundlegende Bildung bereits nicht stimmt, worauf kann man dann noch aufbauen?» Die Taskforce solle aus Vertretern der Praxis, der Verwaltung, der Eltern und des Ministerium bestehen, sagte Bohn.
Nach den jüngsten Zahlen sind von den zu besetzenden 1590 Stellen an Grundschulen im Südwesten bislang nur 1225 vergeben, weitere 365 sind noch offen. Kultusministerin Theresa Schopper spricht von einer angespannten Situation. «Was die Lehrkräfteversorgung angeht, wird das kommende Schuljahr herausfordernd», sagte sie zuletzt. Gründe für den Personalmangel seien nicht nur Teilzeit, Pensionen und die steigende Zahl ukrainischer Flüchtlingskinder, sondern auch Krankschreibungen und Elternzeiten sowie bisweilen auch eine unattraktive Lage der Schule.
«Es müssen Anreize geschaffen werden, damit Lehrer auch mal nach Stuttgart oder in den Hochschwarzwald wechseln wollen», sagte Bohn. Das könnten finanzielle Mittel sein, das könne sich aber auch in einem attraktiven Arbeitsplatz ausdrücken. «Wir können uns da ein Beispiel nehmen am finnischen System, das in der Ausbildung von Lehrkräften die Innovation herausstellt», sagte Bohn. In Deutschland werde dagegen noch weitgehend nach Vorschrift und alten Standards unterrichtet. Aufgabe einer Taskforce müsse es zudem sein, die Herausforderungen kommender Jahre zu analysieren. «Wir müssen besser wissen, was auf uns zukommt», sagte Bohn. «Es liegen eigentlich alle Zahlen vor. Und es herrscht Zeitdruck wegen des Rechtsanspruchs.»
Ab dem Sommer 2026 haben Eltern stufenweise einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen. Allerdings ist bereits jetzt absehbar, dass es viel zu wenige Fachkräfte gibt, um bis Ende des Jahrzehnts auch nur ansatzweise jedem Grundschulkind ein Angebot zur Ganztagesbetreuung machen zu können. Das zeigen Analysen, die die Bertelsmann-Stiftung zusammengestellt hat. Würden alle Kinder im Grundschulalter bis zum Jahr 2030 ihren Rechtsanspruch wöchentlich nutzen, würde demnach zwischen Bedarf und Angebot eine Lücke von mehr als 12 000 Fachkräften klaffen. Am kommenden Montag steht für rund 103 500 Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg der erste Schultag an. Die meisten davon (97 400) beginnen an einer Grundschule, weitere rund 4200 Kinder werden an einem Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum eingeschult. Die Freien Waldorfschulen erwarten rund 1900 neue Kinder an ihren Einrichtungen.