Greenpeace-Flug im Visier der Polizei - Aktivist kommt aus Pforzheim

17. Juni 2021 , 09:50 Uhr

München/Pforzheim (dpa/lk) – Nach der Landung eines Greenpeace-Aktivisten mitten auf dem EM-Spielfeld der Münchner Arena hagelt es Kritik und Fragen nach der Sicherheit im Stadion. Der Pilot selbst hat bei der Aktion womöglich großes Glück gehabt. Der 38 Jahre alte Aktivist stammt aus Pforzheim.

Kritik und Diskussionen um die Aktion

Die umstrittene Greenpeace-Aktion mit einem Motorschirm im Münchner EM-Stadion hat massive Kritik und eine Diskussion um die Sicherheit während der Fußball-Europameisterschaft ausgelöst. Scharfschützen der Polizei hatten den heranfliegenden Piloten nach Darstellung von Bayerns Innenminister Joachim Herrmannkurz vor Anpfiff des Spiels Frankreich gegen Deutschland ins Visier genommen – aber bewusst nicht geschossen. Als Konsequenz kündigte Herrmann an: „Die bayerische Polizei wird bei den kommenden drei EM-Spielen die Luftüberwachung verstärken, insbesondere zusammen mit der Hubschrauberstaffel“. Über dem Stadion gilt bei den EM-Spielen ein totales Flugverbot. „Es hätte ganz anders ausgehen können, auch für den Piloten“, betonte Herrmann. „Wenn die Polizei zur Einschätzung gelangt wäre, dass es sich um einen Terroranschlag handelt, hätte er das mit dem Leben bezahlen müssen.“

Greenpeace-Aktivist kommt aus Pforzheim

Ein 38 Jahre alter Mann aus Pforzheim war kurz vor dem Anpfiff des Fußballspiels am Dienstagabend auf dem Platz im Münchner EM-Stadion gelandet und hatte im Landeanflug zwei Männer verletzt, die ins Krankenhaus kamen. Ein 42 Jahre alter Ukrainer, der im Stadion gearbeitet hatte, befand sich auch am Tag danach noch wegen Verletzungen am Kopf und Hals im Krankenhaus. Ein 36 Jahre alter Franzose, der ebenfalls nicht als Zuschauer, sondern zum Arbeiten im Stadion war, war ebenfalls am Kopf verletzt worden, konnte das Krankenhaus aber am Tag danach schon wieder verlassen. Der Motorschirm-Pilot wurde festgenommen, sein Fluggerät sichergestellt. Gegen ihn wird wegen verschiedener Delikte ermittelt, darunter schwerer Eingriff in den Flugverkehr, Hausfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung. Am Mittwoch war der Mann nach Polizeiangaben schon wieder auf freiem Fuß, weil keine Haftgründe gegen ihn vorlagen. Nach Angaben des Münchner Polizeisprechers Andreas Franken hat er sich bislang nicht zu der Aktion geäußert.

Polizei sei über Aktion informiert worden

Es sei Aufgabe der Bundeswehr und der Polizei, den Luftraum zu überwachen, sagte Franken. „Wir konnten den Anflug kurz vorher bereits wahrnehmen und haben in einer Ersteinschätzung schon auch erkannt, dass es sich hier um eine Aktion von einer Umweltorganisation handelt.“ Die Polizei wurde nach Angaben eines Greenpeace-Sprechers über die Protestaktion des Motorschirm-Piloten informiert. Unmittelbar vor der Aktion sei Beamten innerhalb und außerhalb des Stadions Bescheid gegeben worden, sagte Sprecher Benjamin Stephan. Ein Münchner Polizeisprecher bestätigte dies nicht und sagte, darüber habe seine Behörde keine Informationen.

Grund war offenbar technischer Defekt

Als Grund für die Landung nannte Greenpeace-Sprecher Stephan ein defektes Handgas-Steuergerät an dem Motor, den der Pilot auf dem Rücken getragen hatte. Der 38-Jährige war den Angaben nach auf einer Wiese unweit des Stadions gestartet und bis zur Landung im Stadion etwa vier bis fünf Minuten in der Luft. Der Mann sei ein Aktivist der Umweltorganisation und ein sehr erfahrener Motorschirmpilot. Ursprünglich wollte der Pilot nach Angaben von Greenpeace aus der Luft einen großen gelben Ball in die Arena sinken lassen – als Protest gegen Volkswagen, einen Sponsor der Fußball-EM. Dabei geriet der Motorschirm in eine Stahlseilkonstruktion am Stadiondach und kam ins Trudeln, so dass er in einer steilen Kurve ins Stadion herabsank. Greenpeace entschuldigte sich noch am Abend für die Aktion. Am Mittwoch hieß es, der Pilot wollte gar nicht im Stadion landen, sondern lediglich den Ball ins Stadion schweben lassen.

Weitere Protestaktionen auf Eis gelegt

Bundesweit hagelte es aus der Politik Kritik: „Das war eine unverantwortliche Aktion, die Menschen in große Gefahr gebracht hat“, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Die Aktion sei zwar „Gott sei Dank einigermaßen glimpflich“ ausgegangen, was auch „eine große Erleichterung“ sei. Trotzdem sollten die Verantwortlichen „schon selbstkritisch den Sinn solcher Aktionen hinterfragen, bei denen es um maximales Spektakel für maximale PR-Wirkung“ gehe. Der Greenpeace-Sprecher kündigte an, sich bei den beiden verletzten Männern entschuldigen zu wollen. Kontaktversuche seien aber bis zum Mittwochnachmittag gescheitert. Die Umweltschutzorganisation habe darüber hinaus jeglichen geplanten Protest auf Eis gelegt – zumindest so lange, bis der Vorfall aufgeklärt sei.

Konsequenzen für Pilot und Greenpeace

Diese Überschreitung, die für die Münchner Polizei der nahezu einzige Wermutstropfen an einem ansonsten sehr friedlichen Fußballabend war, wird womöglich nicht nur für den Piloten, sondern auch für Greenpeace Konsequenzen haben. „Das Kommissariat 43 ermittelt, das für die Bearbeitung von politisch motivierten Organisationsdelikten zuständig ist“, sagte Polizeisprecher Franken. „Aktuell haben wir eine Person.“ Ob sich die Zahl der Beschuldigten noch erweitere, sei Gegenstand der Ermittlungen. Eine Sprecherin des Deutschen Ultraleichtflugverbands kündigte an, im Falle einer Verurteilung des Piloten den Entzug seiner Lizenz zu prüfen.

Anzeige

Das könnte Dich auch interessieren

10.01.2024 Die Mehrwertsteuer ist gestiegen – jetzt müssen Gastronomen den Gürtel enger schnallen Region (lea) – Essen gehen, oder doch lieber selbst kochen? Diese Frage wird sich in zahlreichen Haushalten mit Blick in den Geldbeutel im neuen Jahr häufiger stellen. Denn zum Jahreswechsel klettert die Mehrwertsteuer von sieben wieder auf den vor-Pandemie-Satz von 19 Prozent. Von Kanzler Scholz‘ Aussage, die Mehrwertsteuer werde nie wieder abgeschafft, ist angesichts von 07.11.2023 Nach Corona wieder mehr Prostiutierte im Südwesten Stuttgart (lea/dpa) – Die Zahl der Prostituierten in Baden-Württemberg ist sprunghaft angestiegen. Laut Statistischem Landesamt waren zum Jahresende 2022 im Südwesten 26 Prozent mehr in der Prostitution Tätige angemeldet als im Vorjahr, nämlich knapp 3500. Auch das Polizeipräsidium Karlsruhe vermeldet eine Steigerung – auf „Vor-Corona-Niveau“ befinde man sich aber nicht. Das ist aber nicht überall in der Region 19.10.2024 Raubüberfall auf ein Einzelhandelsgeschäft in Kämpfelbach-Bilfingen Enzkreis (pol/jal) – Am Freitag Abend gg. 18.00 Uhr betraten zwei maskierte Männer ein Einzelhandelsgeschäft in Bilfingen. Im Geschäft befand sich eine Angestellte, welche gezwungen wurde, die Barschaft aus der Kasse zu übergeben. 18.10.2024 Schäfchen zahlen auf der A8 - langer Stau nach Unfall mit Tiertransporter Karlsbad (er24/tk) - Ein mit Schafen beladener Anhänger löste sich auf der A8 zwischen Pforzheim und Karlsruhe und blieb mitten auf der Fahrbahn stehen. Kein Schaf wurde verletzt, aber es verursachte einen kilometerlangen Stau im Feierabendverkehr.